Neuste Bundeskriminalstatistik: Brutale Mädchen

Während die einen den Anstieg von Jungendkriminalität statistisch belegen, warnen andere vor einer unkritischen Übertragung der Statistik auf die Wirklichkeit.

Hat die Bereitschaft zur Gewalt zugenommen - oder die, Gewalt anzuzeigen? Bild: dpa

BERLIN taz "Die Jugendlichen werden schlichtweg brutaler" - das Fazit des brandenburgischen Innenministers Jörg Schönbohm (CDU), als er am Donnerstag die Bundeskriminalstatistik 2007 vorstellte, war pessimistisch. Doch Experten bestreiten dies.

Das Gute vorweg: Insgesamt ist die Kriminalität in Deutschland zurückgegangen. Vergangenes Jahr wurden rund 6,3 Millionen Straftaten registriert, das sind 0,3 Prozent weniger als im Vorjahr. Um fast 5 Prozent gestiegen ist dagegen die Gewaltkriminalität unter Jugendlichen, der Anteil von gefährlicher und schwerer Körperverletzung sogar um 6,3 Prozent.

Hatte Roland Koch (CDU) mit seiner Kampagne gegen kriminelle Jugendliche am Ende doch Recht? Nein, sagt Daniela Hosser vom Kriminologisches Forschungsinstitut (KfN) Niedersachsen. "Die These, dass Jugendliche immer schlimmer und brutaler werden, stimmt nicht." Hosser warnt davor, polizeiliche Statistiken eins zu eins auf die Wirklichkeit zu übertragen - statt zu fragen, warum Jugendliche brutaler werden, sollte man fragen, warum die Jugendgewalt in der Statistik steigt.

"Die Bereitschaft, Täter anzuzeigen, hat zugenommen", sagt Hosser, "besonders dann, wenn der Täter eine andere Ethnie hat." Auch gäbe es durch die mediale Aufmerksamkeit eine höhere Sensibilität in der Bevölkerung - das Abziehen von Turnschuhen würde dadurch eher als Delikt angesehen denn als Spaß unter Jugendlichen. Bei Dunkelfelderhebungen, bei denen Jugendliche anonym ihre Erfahrungen mit Gewalt berichten, ist der Anteil von Körperverletzungen laut Hosser nicht gestiegen.

Dass die Zahl der gewalttätigen Mädchen steigt - laut Kriminalstatistik um 4,9 Prozent -, ist dagegen ein Trend, den Hosser bestätigt. Hauptsächlich gehe es um Mädchen mit Migrationshintergrund, geringer Schulbildung und wenig Zukunftsperspektiven. "Das gleiche Milieu", sagt Hosser, "das uns auch bei männlichen Tätern Sorgen macht."

Eine erhöhte Anzeigenbereitschaft allein könne die Statistik nicht erklären, sagt Bundesinnenminister Schäuble (CDU). Ob stattdessen wirklich, wie er mutmaßt, Flateratepartys und Komasaufen eine Ursache für die gestiegenen Gewaltdelikte sind, soll eine Studie des Innenministeriums zusammen mit dem KfN im Spätsommer klären. Darin werden 50.000 Jugendliche anonym über ihre Familiensituation, ihren Freundeskreis und ihre persönliche Einstellungen befragt. Und über ihre Erfahrung mit Gewalt - als Opfer und als Täter. LANA STILLE

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