piwik no script img

■ Neulich...an der Ladenrtür

Meine Bäckerin bringt mich um. Ich bin ein Mann des Friedens, das wird am Ende mein Tod sein. Sie wirft mir Bälle zu, ich kann nicht anders als fangen und fangen, und mit jedem Morgen werde ich matter. Mit einem „Bitte sehr“ eröffnet sie lächelnd, und „danke“ sage dann natürlich ich, noch hoffend aus Narrheit; „vierachtzig bitte“, fährt sie aber schon fort; ich zahle und antworte ordnungsgemäß: „bitte“, was ihr gleich Gelegenheit zu einem Konter schafft: „Ich danke Ihnen vielmals“, sagt sie und nickt mit Eifer, während mir der Mut schon sinkt, aber nicht einmal Schweigen nützt, man kommt nur um einen Zug in Rückstand. „Auf Wiedersehen“, sagt sie also und führt ihr feinstes Lächeln schon in Anschlag, und ich weiß schon, daß ich wieder nicht entkommen werde. „Tschüß“, nuschle ich, aber sie hat ja schon durchgeladen: „Einen schönen Tag wünsch ich Ihnen!“ ruft sie strahlend; ich taumle: „Danke“, sag ich; na gut, also: „Ihnen auch!“ sag ich. Sie hat gewonnen und darf mich erledigen: „O dankeschön!“ — „Bitte“, murmle ich, „Tschüß also!“ — „Tschüß“. Hündchen ab.

Jeden Tag der gleiche Abtausch, bis wir uns endlich auseinanderkomplimentiert haben und ich mich zu meinem Frühstück schleppen und sie sich dem nächsten Kunden zuwenden kann, ihn niederzuringen; jeden Tag der niederschmetternde Devotionalienhandel mit billigen Fälschungen an der Ladentür; sie ist eine Natter, und ihr Lächeln schiere Tücke. Mit bloßer Freundlichkeit kann sie Ochsen fällen, sofern jedenfalls diese zum Antworten erzogen sind. Und andere tun es ihr nach, immer mehr, ich merke es wohl. Der Einzelhandel, bevor er untergeht, schreitet zur Vernichtung der Kundenpersönlichkeit.

Neulich aber trat ich in den Laden und trug nach all den Jahren einmal das Kinn wieder hoch, denn ich war zum Kampf entschlossen. Ich wollte sie in den Irrsinn ihrer eigenen Floskeln treiben und sodann als Sieger die Stätte verlassen. Nach dem üblichen Hin und Wider also und nachdem sie abermals mir gratis einen schönen Tag gewünscht hatte, um mich noch ein Weilchen tributpflichtig zu halten, tat ich freundlich wie nie und wünschte, nicht ohne mich bedankt zu haben, auch Mann und Kindern einen schönen Tag, „oh, ich danke sehr“, hauchte sie argwöhnisch, „machen Sie sich's einfach mal nett“, sagte ich, „bestimmt“, sagte sie und lachte nervös, „es geht Ihnen doch gut?“ fragte ich, und sie sagte, nun vollends verwirrt: „Bestens. Und selbst? Danke sehr!“ — „Bitte“, sagte ich aus Versehen und hatte schon wieder verloren. Verlierer sollen Kartoffeln essen.

schak

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen