Neuland betreten

Trotz Strukturwandel in der Landwirtschaft und ökonomischer Unsicherheit zieht es nach wie vor Menschen aufs Land. Viele wollen biologisch-dynamische Landwirte werden. Einige Demeter-Höfe kommen mit dem Ausbilden schon nicht mehr nach

VON KLAUS LEONARD

Der Strukturwandel in der Landwirtschaft hält weiter an. Jährlich schließen in Deutschland 15.000 Betriebe. Bei zwei Dritteln aller Höfe mit Betriebsleitern über 45 Jahren ist die Nachfolge ungeklärt. Auch wirtschaftlich erfolgreiche Betriebe werden aufgegeben und Investitionen, häufig öffentlich gefördert, bleiben ungenutzt. Trotz dieser Rahmenbedingungen und großer ökonomischer Unsicherheit wagen immer wieder gut ausgebildete junge Menschen den Einstieg in die landwirtschaftliche Selbstständigkeit. Für alte Betriebsinhaber bietet dies eine Möglichkeit, ihr Lebenswerk zu erhalten. Darüber hinaus wird die Landwirtschaft für innovative Ideen geöffnet, neue Menschen kommen aufs Land.

Viele von ihnen interessieren sich für biologisch-dynamischen Landbau, wie er vom Anbauverband Demeter praktiziert wird und lassen sich entsprechend ausbilden. „Bei uns ist die Nachfrage größer als das Angebot“, erläutert Clemens von Schwanenflügel vom Hof Wörme. „Bei mehr als 30 Lehrlingen müssen wir leider passen.“ Wörme ist einer der Betriebe, die biologisch-dynamischen Landbau betreiben und zugleich ausbilden. Gegenwärtig leben ständig bis zu 35 Personen auf dem Hof, der etwa 45 Kilometer südlich von Hamburg liegt.

Angeregt durch Rudolf Steiners „Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft“ und anknüpfend an Goethes Methode der Naturerkenntnis, betrachten Demeter-Bauern ihren Hof als lebendigen Organismus. „Sie haben nicht allein die konkreten materiellen Substanzen, die physischen Kräfte der Natur, im Blick, sondern auch die gestaltenden Kräfte des Kosmos“, beschreibt Demeter seine Arbeitsweise. Typisch für den biologisch-dynamischen Landbau, und deshalb in den Demeter-Richtlinien entsprechend verankert, ist der Einsatz spezieller Präparate aus Heilkräutern, Mineralien und Kuhdung. Sie werden auf den Höfen meist selbst hergestellt und fein dosiert eingesetzt, um die Fruchtbarkeit des Bodens zu steigern. „Der biologisch-dynamische Landbau grenzt sich nicht scharf vom ökologischen Landbau ab“, erklärt von Schwanenflügel. Aber er geht mit seinen Ansprüchen über die entsprechenden EU-Richtlinien hinaus.

Niemand muss Anthroposoph sein oder werden, um biologisch-dynamisch zu wirtschaften. Aber bei Demeter wird Wert auf „Offenheit für Neues und den Willen zur Neuorientierung“ gelegt. Die Umstellung finde nämlich im Kopf statt. Biologisch-dynamischer Landbau berge ein umfassendes Wertesystem, das nicht allein über die Richtlinien definiert werden könne. „Rund 90 Prozent der Leute, die wir hier ausbilden, sind Quereinsteiger“, berichtet Martin von Mackensen, Schulleiter auf dem Dottenfelderhof. Rund 80 Personen – neun Familien sowie Mitarbeiter, Studenten, Auszubildende und Praktikanten – bewirtschaften am Südrand der Wetterau bei Frankfurt am Main etwa 150 Hektar Land als Acker-, Gemüse- und Obstbau samt 80 Milchkühen.

Auf dem Dottenfelderhof werden Einführungs- und Fortbildungskurse sowie Studienlehrgänge angeboten. „Ein Schwerpunkt bei der Einführung in Arbeit und Hintergründe des biologisch dynamischen Landbaus ist die Anthroposophie“, erklärt von Mackensen. „Unter anderem geben Astronomie samt Himmelsbeobachtungen sowie Boden- und Pflanzenkunde einen Einblick in die verschiedenen Sicht- und Arbeitsweisen und die Besonderheiten der biologisch-dynamischen Bewirtschaftung.“ Auch künstlerische Kurse sind Teil der vierwöchigen Seminare. Zudem gibt es Praxisberichte und Exkursionen. Zielgruppe sind Auszubildende auf biologisch oder biologisch-dynamisch bewirtschafteten Höfen, Landwirte, die umstellen wollen, und interessierte Laien.

Die Fortbildungskurse thematisieren Kernfragen der biologisch-dynamischen Landwirtschaft. Unter verschiedenen methodischen Ansätzen wird der „Landwirtschaftliche Kurs“ von Rudolf Steiner studiert, werden Aspekte der Anthroposophie und landwirtschaftliche Zusammenhänge vertieft. Auch künstlerische Kurse gibt es während der vier Wochen. Der zweite Schwerpunkt ist eine „durch Geisteswissenschaft erweiterte Naturwissenschaft“: in Chemie, Botanik und Bodenkunde. Zielgruppe sind Menschen, die bereits in Demeter-Landwirtschaft oder -Gartenbau tätig sind, und Studenten der Agrarwissenschaften, die einen durch Anthroposophie erweiterten Zugang zu ihrem Fach suchen.

Wesentlich umfangreicher als diese beiden Angebote ist der Studienlehrgang. Der Vollzeitkurs dauert ein Jahr. Er richtet sich an Landwirte, Gärtner und Menschen mit praktischer landwirtschaftlicher oder gärtnerischer Erfahrung sowie landwirtschaftliche Hochschulabgänger, die vor ihrem eigenen Betriebsstart eine eigene, umfassende Urteilsgrundlage schaffen, sich tiefgehend mit der biologisch-dynamischen Methode auseinander setzen oder ihr eigenes Verhältnis zur biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise finden wollen.

Der Studiengang ist in drei Trimester gegliedert: Von September bis Weihnachten werden Grundlagen gelehrt. Bis Ostern steht das Studium des „Landwirtschaftlichen Kurses“ im Mittelpunkt. Bis September liegt das Augenmerk auf der aktuellen Entwicklung der biologisch-dynamischen Landwirtschaft, der Forschung, Vermarktung, Betriebsentwicklung und Sozialgestaltung. Von Mackensen: „Durch das Mitleben am Ort sind alle Studenten ein Teil der Hofgemeinschaft Dottenfelderhof. Sie sind in das Geschehen des Gutsbetriebes sozial, kulturell und fachlich voll einbezogen.“

Weitere Infos: www.demeter.de, www.dottenfelderhof.de, www.hofwörme.de