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■ Neujahrslotterie mit Hindernissen – Italien ist entsetztFortuna eingeklemmt

Ach, wie war das doch vordem mit den Glücksfeen so bequem... Der Refrain stammt nicht aus Heinzelmännchens Zeiten, sondern neuerdings aus dem Lande der Zitronenblüte: Fieberhaft wacht die Nation der Nacht von „Befana“ – Heiligdreikönig, an dem in Italien eine nikolausähnliche Fee Geschenke bringt – der prämienreichsten Lotterieziehung des Jahres entgegen. Dieses Jahr betrug der Hauptgewinn umgerechnet 7,1 Millionen Mark, und traditionell fahndet das ganze Land nun hinter dem glücklichen Gewinner her (der sich bis zu einem halben Jahr versteckt halten kann, bis er sein Originallos präsentieren muß).

Doch dieses Mal überdeckt ein ganz anderes Fieber das alljährliche Befana-Halali: Die Glücksnummer des fünften Preises, immerhin noch mehr als 2 Millionen Mark, wurde im nachhinein annulliert, und es wurde eine Ersatzzahl ausgegeben – die des nachfolgenden Gewinners von ursprünglich nur 200.000 Mark. Grund: Wie Fernsehaufnahmen der Ziehung zeigen, hatten sich in einer der sieben Trommeln, die Ziffer für Ziffer die Glückszahl ermitteln, einige Kugeln eingeklemmt, konnten damit also nicht gezogen werden; das Gerät streikte auch noch bei einigen kleineren Ziehungen und wurde daraufhin ersetzt.

Seither ist das Land tief gespalten: Durfte die einmal gezogene und zunächst als Glückszahl bekanntgegebene Losnummer tatsächlich annulliert werden? Im Reglement steht nichts darüber, die Entscheidung der Jury fiel aufgrund von Herleitungen aus Sätzen wie „Erweist sich eine Ziehung als unkorrekt, muß sie wiederholt werden“. Doch was heißt hier schon „Ziehung“? Just darob blühen nun die Philosophien ad hoc.

Zwar geben alle zu, daß die Ziehung der sechsten Zahl – jener mit den eingeklemmten Kugeln – nicht regulär war. Aber muß deshalb gleich die ganze Zahl ausgetauscht werden? Bezieht sich „Ziehung“ nicht auf jede einzelne der gezogenen Ziffern? Wäre also nicht nur die sechste Ziffer neu zu bestimmen gewesen? Der arme Kerl, dem sie den schon sicher geglaubten Gewinn tags danach weggenommen haben, hätte so eine reelle Chance gehabt, daß seine Glückszahl doch noch einmal herauskommt – es wäre 1:10 gestanden. So aber wurde er faktisch von der Neubestimmung ausgeschlossen.

Doch Fortuna hatte, wie es scheint, diesmal nicht nur klapprige Finger, sondern auch einen schlechten Wecker. An sich darf die Ziehung nämlich erst um 21 Uhr beginnen, denn bis zu diesem Zeitpunkt dürfen Losverkäufer die Glückszettel noch losschlagen. Tatsächlich gibt es aber Hinweise, daß die Ziehung schon um 20 Uhr 25 begonnen hatte (aber erst später zeitversetzt übertragen wurde) – und da Italiener gerne ans Unmachbare glauben, vermutet nun so mancher, daß Schlitzohren in den 35 bis zur Ziehungsübertragung verbleibenden Minuten leicht noch das Los mit der richtigen Nummer hätten auftreiben und sich aneignen können.

Natürlich beschäftigt die unselige Glücksnacht nun ganze Heerscharen von Advokaten – mindestens eine Hundertschaft hat sich bereits angeboten, dem Unglückswurm mit der annullierten Nummer vor Gericht beizustehen. „Durchaus möglich, daß der ja in Gewinnerlaune seine Möbel zerhackt und das Auto zertrümmert hat“, meinte ein Anwalt im Radio; ein anderer sieht das noch prinzipieller: „Und wenn den Armen vor Wut ein Herzinfarkt ereilt hat?“

Glücklich wirklich die Zeiten, als die Ziehung ganz unnelektronisch erfolgte, mittels eines Waisenkindes, dessen Händchen sich niemals irgendwo einklemmten. Werner Raith

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