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■ Neues vom „Balsam“-Skandal: ein UntersuchungsausschußAus dem Elefanten wird eine Mücke

Düsseldorfs sozialdemokratischer Justizminister Rolf Krumsiek hat schon bei manch feierlichem Akt seine Sorge um das Rechtsbewußtsein in diesem Land zum Ausdruck gebracht. Einen großen Schaden befürchtet der langjährige Chef der nordrhein-westfälischen Justiz für den Fall, „wenn bei den Bürgerinnen und Bürgern folgender Eindruck entstünde: Der Verkehrssünder wird unnachsichtig verfolgt, und die Täter mit dem weißen Kragen läßt man laufen, oder sie genießen mildernde Umstände“. Nun ist der Ernstfall da, doch der Minister taucht ab. Im Zusammenhang mit der Pleite der ostwestfälischen Balsam AG ist beim staunenden Publikum genau das eingetreten, was Krumsiek so sorgt.

Fest steht, daß die zuständige Bielefelder Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftsverbrechen die Aufklärung eines der größten Wirtschaftsverbrechen in Deutschland seit 1945 systematisch verschleppt und hintertrieben hat. Bei ordnungsgemäßer Ermittlung wäre es mindestens im Dezember 1992 an der Zeit gewesen, so hat ein von Krumsiek eingesetzter Sonderermittler festgestellt, strafprozessuale Maßnahmen zu ergreifen. Doch Krumsieks Ermittler schliefen fast zwei Jahre lang. Erst die Presse brachte sie auf Trab. Als der Düsseldorfer Grünen-Abgeordnete Michael Vesper von den unglaublichen Schlampereien Wind bekam und Krumsiek per parlamentarischer Anfrage im Juli dieses Jahres zur Stellungnahme zwang, reagierte der Sozi klassisch: abwiegeln, beschwichtigen, ausweichen. Inzwischen mußte Krumsiek aber einräumen, daß ihm zum Zeitpunkt der Beantwortung der kleinen Anfrage ein Polizeibericht aus Bielefeld vorlag, in dem die Untätigkeit der Staatsanwaltschaft massiv kritisiert wurde. Kein Wort erfuhr der Abgeordnete Vesper davon.

Jetzt sagt Krumsiek, er habe den Bericht verschwiegen, weil er ihn erst einmal von seinen Fachleuten und der Generalstaatsanwaltschaft habe überprüfen lassen wollen. Weil Ausflüchte dieser Art auf normalem Weg kaum zu überprüfen sind, handelt die Düsseldorfer Opposition völlig konsequent, wenn sie nun mittels eines Untersuchungsausschusses diese Vernebelungsversuche aufzuklären versucht.

Ginge es in Düsseldorf halbwegs normal zu, dürfte Krumsiek sich längst seiner Pension erfreuen – ganz gleich, ob er das Parlament belogen hat oder nicht. Sagt er die Wahrheit, dann räumt er damit nämlich ein, daß ihn seine mit der Überprüfung beauftragten Fachleute im Ministerium und in der Generalstaatsanwaltschaft Hamm wochenlang an der Nase herumgeführt haben. Da bleibt nur der Abgang, um solche unglaublichen Schlampereien durch organisatorische und persönliche Erneuerung für die Zukunft abzustellen. Daß Krumsiek bleiben darf, erklärt sich auch aus der Abneigung von Ministerpräsident Johannes Rau vor personellen Veränderungen in seinem glanzlosen Kabinett. Entscheidender aber ist, daß die SPD glaubt, mit der absoluten Mehrheit im Rücken jeden Skandal aussitzen zu können. Diese Arroganz der Macht kann nur der Wähler zähmen. Bei der Landtagswahl im Mai nächsten Jahres ist dazu Gelegenheit. Walter Jakobs

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