Neues aus Stadland: Revolution probieren
■ In der Wesermarsch formiert sich Widerstand gegen ein Zwischenlager
Wenn Hinrich Brader am Abend auf die Terrasse seines Bauernhauses in der Gemeinde Stadland (Landkreis Wesermarsch) tritt, dann kann er ihn sehen: diesen rötlichen Schein, den das Kernkraftwerk Unterweser in der Dunkelheit abgibt, und der ihm die meiste Zeit seines Lebens ziemlich gleichgültig war. Doch seitdem klar ist, dass das Energieversorgungsunternehmen E.on nur wenige Kilometer von seinem Hof entfernt ein Zwischenlager errichten will, ist aus dem Landwirt ein rühriger Kernkraftgegner geworden.
Brader ist mit seinem Zorn nicht allein: Das organisierte Landvolk, Umweltorganisationen, Parteien und „ganz normale“ Bürger sind gegen das Zwischenlager. Es habe eine stille Revolution in der Unterweser-Region gegeben, sagen manche. So hatten sich CDU- Abgeordnete im Kreistag vor Weihnachten gemeinsam mit den Grünen für ein klares Votum gegen das Vorhaben eingesetzt.
Ergebnis der Debatte war eine von der SPD/FDP-Mehrheit getragene Resolution, in der angesichts der Terroranschläge in den USA eine „weiterführende Überprüfung der Sicherheitsstandards“ gefordert wird. Andernfalls könne dem Bau nicht zugestimmt werden. Auch wenn die Resolution aus Sicht des CDU-Fraktionsvorsitzenden Björn Thümler „viel zu unbestimmt“ ausgefallen ist, zeigt sie, dass die ablehnende Stimmung in der Bevölkerung im Kreisparlament angekommen ist.
Im Jahr 2001 hatte die Bürgerinitiative „Aktion Z“ für das Erörterungsverfahren rund 17 400 Einwendungen gesammelt. Einer der Sprecher ist Brader, zugleich der örtliche Landvolk-Vorsitzende. Früher habe er an die Zukunftstechnologie Atomkraft geglaubt, sagt der 48-Jährige: „Billig, sauber und beherrschbar.“ Die Katastrophe von Tschernobyl 1986 habe ihn jedoch nachdenklich gemacht.
Jetzt fürchtet Brader, dass durch den Strahlenmüll in den Castoren, die in einer luftdurchströmten 80-Meter-Halle gelagert werden sollen, seine Milchkuh-Weiden kontaminiert werden könnten. „Wer beweist mir denn, dass in 30 Jahren wirklich sichere Endlager existieren?“, fragt er. „Das hat man uns beim Bau des Kraftwerks in den 70er Jahren auch schon gesagt.“ Der Landwirt hat die böse Ahnung, dass aus dem Zwischen- ein Endlager werden könnte – mit unabsehbaren Folgen für zukünftige Generationen.
Seit den Terroranschlägen vom 11. September ist die kritische Stimmung in der Region noch gewachsen. Die „Aktion Z“ forderte Niedersachsens Umweltminister Wolfgang Jüttner (SPD) auf, das Kraftwerk an der Unterweser stillzulegen. Atomkraftwerke seien gegen Terroranschläge technisch nicht wirksam zu schützen, argumentierten die AKW-Gegner.
Bisher war der Kraftwerksbetreiber in seinen Sicherheitsanalysen maximal vom Absturz eines schnellen Militärflugzeuges ausgegangen. E.on-Sprecherin Petra Uhlmann bestätigte, das Unternehmen werde „alle rechtliche n Möglichkeiten“ nutzen, um das Zwischenlager wie geplant zu errichten. Angesichts der von 2005 an untersagten Atommülltransporte gebe es keine andere Wahl. Uhlmann: „Wir machen nicht die Politik.“
Mittlerweile scheint festzustehen, dass das Unternehmen auf einen Rechtsstreit mit der Gemeinde Stadland zusteuert. Die versucht auf baurechtlichem Weg, das Zwischenlager zu verhindern. Die kleine Gemeinde soll dafür 40.900 Euro (80.000 Mark) beiseite gelegt haben.
Wie der Kampf um das Zwischenlager auch ausgehen mag: Landwirt Brader ist optimistisch. „Auch wenn wir's nicht verhindern können, bewirken wir doch, dass der höchstmögliche Sicherheitsstandard kommt. Der Widerstand wird nicht verpuffen.“
Milko Haase , dpa
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