Neues aus Neuseeland: Strom aus, Mama tot
Ein Stromkonzern dreht einer armen samoanischen Familie in Neuseeland den Strom ab. Dran hängt leider das Beatmungsgerät der Mutter.
Wenn der Postmann zweimal klingelt, heißt das nicht unbedingt etwas Schlechtes - im Film wackelt dann wenig später der Küchentisch unter Jack Nicholson. Wenn dagegen der Strommann klingelt, ist Vorsicht geboten: Hier geht es um dein Leben!
Kann man sich etwas Traurigeres vorstellen als eine arme samoanische Familie, eingewandert nach Neuseeland, wo angeblich "Milch und Honig" fließen, der Vater als Hilfskoch aber nur umgerechnet 250 Euro die Woche nach Hause bringt, vier Kinder ernährt werden wollen und die Mutter schwer herzkrank ist? Doch, kann man: Wenn diese Mutter ein Sauerstoffgerät zur Beatmung braucht. Und das Schlimmste, was man sich dann vorstellen kann, ist, dass einfach jemand Mama den Saft abdreht.
Genau das tat vor rund zwei Wochen ein Mitarbeiter des Stromanbieters Mercury Energy, als er sich in Mangere, dem ärmlichen Maori- und Immigranten-Stadtteil von Auckland, als Volt-Vollstrecker ins Haus der Muliagas begab. Die Südsee-Familie hatte sage und schreibe 168 Dollar ihrer Stromrechnung nicht bezahlt - das macht keine 90 Euro. Grund genug für die Stromgesellschaft, bei den am Rande des Existenzminimums lebenden Polynesiern endgültig den Stecker rauszuziehen. Schwupps, wurde der Strom abgestellt. "Piep", machte der Alarm von Mutter Muliagas Beatmungsgerät. Wenige Stunden später war die 44-Jährige tot. Ein Skandal! Da steht der Sozialstaat Kopf.
Schuld waren, gar keine Frage, natürlich die böse Wirtschaft, die erbarmungslose Profitgier eines Großkonzerns und damit der herzlose Staat. Allen voran also Helen Clark. Die Premierministerin erschien dann auch prompt zur Image-Aufbesserung auf der Beerdigung der Dahingeschiedenen und würdigte die ebenfalls aufgekreuzten Vertreter von Mercury Energy keines Blickes, was ihr Punkte einbrachte. Was tut man nicht alles für ein paar Wählerstimmen in den strukturschwachen Gebieten!
Doch kaum war die Geschichte um die Welt gegangen und der Sarg samt samoanischen Blumengebinden versenkt, da kamen die ersten Zweifel an den armen Opfern der Stromgiganten auf: Immerhin haben drei der vier Kindern von Frau Muliaga daneben gesessen, während sie starb, aber waren anscheinend nicht in der Lage, Hilfe zu holen. Der älteste Sohn ist bereits 20 und "sehr traditionell erzogen", wie ein Sprecher der Familie betonte - was wohl heißen soll, er schweigt lieber, wenn Mama redet, oder besser: aus dem letzten Loch röchelt. Gehorsam vor dem Alter geht vor, auch wenn das die Lebenserwartung der Lieben drastisch verringert. Einen Krankenwagen konnte der junge Mann nicht rufen, denn auch das Telefon war längst abgestellt.
Über den Halbwaisen ergießt sich nun öffentliche Häme: Er habe statt zu gesundem Menschenverstand lieber zur Gitarre gegriffen und der Mama ein Lied gesungen. Außerdem sei die fettleibige Mama viel zu schwer gewesen, um sie fortzubringen, als sie bewusstlos wurde - anscheinend hatte sie das mit dem Land voller Milch und Honig wohl zu wörtlich genommen. Daher streikte das Herz. Und in Mangere, wo Vater Muliaga für einen Hungerlohn schuftete, streiken jetzt seine Kollegen. Schön, dass die Funken fliegen, auch wenn der Strom weg ist.
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