Neues Magazin "Wir": Ihr Kinderlein kommet
Das neue Magazin "Wir" feiert die Freuden des Kinderkriegens auf knapp hundert Seiten. Mehr nicht. Und genau das ist das Problem des "SZ"-Ablegers.
Zuerst die gute Nachricht: Kurt Kister hat wieder Spaß am Leben. Der Grund heißt Michael. "Von meinem jetzt elfjährigen Sohn habe ich einige sehr wichtige Dinge gelernt", schreibt der stellvertretende SZ-Chefredakteur, "zum Beispiel, dass es sich doch lohnt zu leben - in erster Linie, weil es ihn gibt" (Als Politikjournalist hat mans offenbar noch schwerer als angenommen).
Und jetzt die schlechte: Mehr steht in Wir eigentlich nicht drin. Das neue Junge-Familien-Magazin aus München, dessen erste Ausgabe heute erscheint (3,50 Euro), beschränkt sich darauf, auf knapp hundert Seiten immer und immer wieder darzustellen, wie toll es doch ist, Kinder zu haben - ein Magazin als Mantra.
Um die frohe Seid-fruchtbar-und-mehret-euch-Botschaft unters Lesevolk zu bringen, bedient sich die von SZ-Magazin-Chefredakteur geleitete Redaktion einiger prominenter Paten. Außer Schauspieler Sebastian Koch, Musiker Thomas D und der in diesem Kontext wohl unvermeidlichen Ursula von der Leyen, die alle - wie auch der ehemals lebensmüde Kurt Kister - die Frage beantworten, was ihre Kinder ihnen beigebracht haben ("Gegenwart", "Loslassen und lieben", "Mehr lachen"), kommt vor allem Lukas Podolski zu Wort, der fürs Cover mit seinem sieben Monate alten Sohn Louis posiert und im Interview über Vaterfreuden spricht. Das liest man gerne, weil Podolski darin eben ausnahmsweise nicht die immergleichen Fragen nach seiner Form, der Mannschaftsleistung oder der Stimmung im Team beantwortet. Stattdessen erklärt er, warum er nicht mit seiner Freundin beim Geburtsvorbereitungskurs war ("Wenn man so in der Öffentlichkeit steht wie ich, ist das immer ein bisschen schwierig"), dass er Louis selbstverständlich wickelt und füttert, dass nachts aber meistens seine Freundin aufsteht, wenn der Kleine schreit. Sogar die Ersatzbank habe Louis erträglicher gemacht, bekennt Podolski. "Als mein Sohn noch nicht geboren war, war ich oft frustriert, wenn ich nicht gespielt habe. Jetzt kann ich auch mal mit einem Lächeln auf der Bank sitzen, weil ich einen Sohn habe, auf den ich stolz bin."
Jaja, das sind schon beneidenswert glückliche Menschen, diese Eltern. Gut, Kleinigkeiten stören immer: Bis zum ersten Sex nach der Schwangerschaft können Monate vergehen, Geldanlagen für die Kleinen waren auch mal profitabler, und wer ins Grüne zieht, kommt nur noch selten ins Kino - aber was ist das schon gegen die Liebe zum Kind, der Alex Rühle eine Doppelseite widmet: "Sie ist ein Gefühl, das einen dazu bringt, von sich selbst abzusehen - anders als die Liebe zum Partner, die ja doch immer irgendwie darauf aus ist, ein gemeinsames, gleichberechtigtes Zusammen zu schaffen. Wenn man Kinder liebt, gibt man einfach nur. Und gibt und gibt und gibt."
Die Messlatte für das erwartete Wir-Pendant von Gruner + Jahr hat die Redaktion mit der ersten Ausgabe nicht besonders hoch gelegt. Selbst gute und kluge Autoren wie Rühle und SZ-Rückkehrer Georg Diez erstarren in der beinahe gespenstischen Harmlosigkeit von Wir. Aber vielleicht ist diese Niedrigschwelligkeit ja nur ein Zugeständnis an die Müdigkeit der Zielgruppe, die nach der Gute-Nacht-Geschichte einfach nur entspannen und sich das Reihenhausleben mit Kind schönlesen will.
*ledig, kinderlos
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