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Neues Jugendbuch über PolitikSlomka gibt Gummi

Marietta Slomka stellt ihr neues Buch betont lässig vor. Sie will den angeblich politikscheuen Jugendlichen Politik erklären. Die Zielgruppe kritisiert inhaltliche Fehler.

Marietta Slomka: Fragen der SchülerInnen waren während der Vorstellung ihres Buches nicht vorgesehen. Bild: dpa
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Journalisten bezeichnen Auftritte von Politikern, in denen sie sich "nah bei den Menschen" zeigen, spöttisch als "Gummistiefeltermin", schreibt Marietta Slomka, Frontfrau des ZDF-"heute-journals", in ihrem neuen Jugendbuch "Kanzler lieben Gummistiefel". Darin will sie Jugendlichen "mit einem Augenzwinkern" und "vielen aktuellen Beispielen" erklären, wie Politik funktioniert. Die Präsentation ihres Buches vor zwei Berliner Schulklassen am Freitag im Max-Liebermann-Haus war ebenfalls ein solcher "Gummistiefel-Termin". Die Inszenierung der Autorin stand an erster Stelle.

Zwar trug Slomka adrettes Schwarz statt der Schröderschen Hochwasser-Boots. Schließlich galt es keine Jahrhundertflut zu bekämpfen, sondern die von allen Seiten beklagte Politikverdrossenheit deutscher Jugendlicher. Die, um die es ging, kamen jedoch kaum zu Wort. Das Motto der Plauderrunde vor Zielgruppen-Publikum gab RBB-Moderator Marc Langebeck aus: "Bleiben Sie immer schön relaxed." Man fürchtete, eine steife Podiumsdiskussion könne die angeblich so politikscheuen GymnasiastInnen verschrecken.

Marietta Slomka erklärte also auf dem Podium - bei Männern würde man sagen: hemdsärmelig -, warum sich Politiker gerne mit Hund inszenieren und sich kleine Männer, wie der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy, heroisch hoch zu Ross zeigen. Einige Schülerinnen und Schüler fühlten sich indes als Klatschkulisse missbraucht. "Wir waren nur eingeladen, damit es im Fernsehen schön aussieht", klagte der 18-jährige Mattes Schreiber hinterher. Fragen der SchülerInnen waren im Programm nicht vorgesehen. Gerne hätten er und sein Mitschüler Oskar Böhm, 17, mit der "heute-journal"-Moderatorin diskutiert. Die Schüler hatten sich nämlich die Mühe gemacht, Slomkas Buch aufmerksam zu lesen. Was sie fanden, waren vor allem "unzulässige Verallgemeinerungen", wie Oskar Böhm moniert. "Sie behauptet zum Beispiel, dass Jean-Jacques Rousseau ein Vordenker der Gewaltenteilung gewesen sei. Das ist sachlich falsch", sagt der Zwölftklässler mit Leistungskurs Geschichte. "Wenn ich das in einer Klausur geschrieben hätte, hätte ich Punktabzug bekommen."

Vielleicht werden Jugendliche oft einfach unterschätzt. Nimmt man sie nämlich ernst, können sie sich schnell begeistern.

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1 Kommentar

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  • OA
    Olaf Asbach

    Das Buch von Marietta Slomka mag so unsinnig sein, wie es will. Peinlich aber, einen Artikel darüber mit der Duplizierung halbgaren Wissens eines eifrigen, aber nur Halbwissen reproduzierenden Gymnasiasten fundieren zu wollen (by the way: Zur Gefahr von Halbwissen ist immer noch Adornos Aufsatz hierzu lesenswert - auch und gerade für Journalisten im Wikipedia-Zeitalter).

    Denn sachlich ist zumindest dieser Satz zu Rousseaus Stellung zur Gewaltenteilung in Slomkas Buch gerade richtig: Nur wenn man, wie es leider häufig der Fall ist, nicht in der Lage ist, zwischen Souveränitätsteilung - die Rousseau demokratietheoretisch konsequent ablehnt (II.2) - und Gewaltenteilung - die Rousseau demokratietheoretisch konsequent begründet (III.3) - zu unterscheiden, kann man zu einer solchen Annahme kommen. Leider hat man dann aber weder Rousseau noch das Prinzip von Volkssouveränität verstanden.

    In diesem Falle also: kein Punktabzug für Slomka, wohl aber für den Verfasser des Artikels. Und mildernde Umstände für den Gymnasiasten, der besten Wissens wiedergegeben hat, was man ihm als ihm gute Noten bringend erzählt hat.

    Und der Lerneffekt: Es muß halt nicht alles richtig sein, was unter den gegebenen Verhältnissen von Lehrern und Medien verbreitet und belohnt wird.