Neues Fußballbuch: Die Männerfußballversteherin
In „Der zwölfte Mann ist eine Frau“ widmet sich Wiebke Porombka ihrer Fanvita und ihrer Liebe zu Werder Bremen. Sie hört dort auf, wo es spannend wird.
Wiebke Porombka hat ein Buch über ihr Fandasein geschrieben. Etliche haben das bereits getan. Dass aber eine Frau über ihr Leben als Fan berichtet, ist dann doch etwas Besonderes. In „Der zwölfte Mann ist eine Frau“ widmet sich Porombka ihrer persönlichen Fanvita und ihrer Liebe Werder.
Angenehm politisch unkorrekt beschäftigt sie sich in thematisch gegliederten Kapiteln mit dem Fallen der Männerdomäne Fankurve, deren stetiger weiblicher Unterwanderung sie beiwohnte. Sie versucht, dem Phänomen weiblicher Fans und den möglichen Unterschieden zu den Männern nachzuspüren.
Und sie erklärt, warum sie nur Anhänger eines Männerteams sein und mit Frauenfußball nichts anfangen kann. Die Autorin ist Literaturwissenschaftlerin und -kritikerin (vor allem für die FAZ), es ist ihre erste nichtakademische Publikation in Buchform. Die 36-Jährige ist in Bremen aufgewachsen und lebt in Berlin.
Wiebke Porombka: „Der zwölfte Mann ist eine Frau“. Berlin Verlag, 189 S., 14,99 Euro.
Das Initiationserlebnis, das sie beschreibt, mag nur für wirkliche Fußballfans nachvollziehbar sein. Porombka erzählt, wie sie im Kindesalter von ihrem Bruder ab und zu mal eine Ohrfeige kassiert. Warum? Weil sie unqualifizierte Kommentare von sich gibt, das Spiel nicht versteht. Sie fängt daraufhin an, sich mit Fußball zu beschäftigen – die Ohrfeigen hätten schon ihre Richtigkeit gehabt. Wenige Jahre später hat sie mehr Fußballfachverstand als ihr Bruder.
Porombka beschreibt daraufhin recht typische Fantopoi und -sujets. Sie berichtet über Rivalitäten mit einer Freundin, die den Schalkern nahesteht. Sie schildert ihre Rituale am Spieltag, sie beleuchtet die „Panini-Phase“, in der Fußballspieler ähnliche Verhaltensweisen beim Jungvolk hervorrufen, wie es Popstars vermögen. Leuten, die Unglück bringen, wenn man sie mit ins Stadion nimmt (hier der Onkel), wird zu viel Platz eingeräumt, der nostalgisch anmutenden Bayern/Werder-Rivalität auch. Das Buch plätschert ein wenig vor sich hin. Als Fan aber bleibt man dabei.
Exzessive Frauen
Und die Schlussphase hat es in sich. Erst mal watscht Porombka den Frauenfußball ab. Sie versucht, beim Besuch einer Partie Turbine – Potsdam Leidenschaft aufkeimen zu lassen. Allein: Es fehlt an Atmosphäre im Stadion. Und, sosehr man es bedauern mag, sie hat ja recht: Die Ostkurve in Bremen wäre wohl selbst bei einem Abstieg in die Oberliga noch aufregender als ein Champions-League-Spiel im Turbine-Block – Stand heute.
Das Spiel der Frauen an sich weist sie in einem Nebensatz als technisch rückständig aus. Sie verlässt das Stadion bei einem DFB-Pokal-Halbfinale vor dem Abpfiff.
Und dann bemitleidet sie die Männer auch noch, dass ihnen die Frauen die Kurven in den Bundesligastadien bevölkern und ihnen streitig machen. Wie sie in diesem Kapitel aber das Gebaren der Männer in Stadien und vor Bildschirmen analysiert, macht Spaß und hat Wiedererkennungswert.
Schließlich spricht sie sich gegen den glatt geleckten und gebügelten Fußball aus – und für Typen wie Marko Arnautovic und Uli Borowka. Dieses Kapitel hätte mehr Raum verdient gehabt, birgt es doch reichlich Material über das Wesen des Fußballs in sich.
Gerade die großen Thesen hätte man sich ausführlicher gewünscht. An mancher Stelle scheint es zudem falsch, genderpolitische Aspekte immerzu herunterzuspielen. Das trifft hier etwa auf den Frauenfußball mit knapp einem Jahrhundert weniger Geschichte zu. Eine Auseinandersetzung damit, wie Frauen untereinander heute das exzessive Fansein verhandeln und bewerten, wäre zudem wünschenswert gewesen.
Es ist ein Fanbuch im Plauderton, für dieses Genre der richtige Sprachduktus. Der Text gewinnt zunehmend an Fahrt, in den Abschlusskapiteln beschreibt Porombka gekonnt die Wendepunkte, die der Fußball in den letzten Jahren erlebt hat. Sie hört aber dort auf, wo es spannend wird.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!