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Neuerdings treffe ich die Charaktere der TV-Serie Nashville, wenn ich aus dem Haus geheGute Vorsätze

Foto: privat

AM RAND

Klaus Irler

Das Jahr nähert sich der Sonnenwende und feiert jeden Tag einen neuen Dunkelheitsrekord. Zwischen dem Morgen-Dunkel und dem Nachmittag-Dunkel bleibt nur ein kleiner Schlitz, durch den man sehen kann, dass der Himmel bewölkt ist.

Die Lichtverhältnisse führen dazu, dass ich wenig rausgehe. Mein Hirn ist deshalb unterversorgt mit realen Begegnungen und speichert besonders gut, was ich abends im Fernseher sehe. Mitunter glaube ich, die Leute aus dem Fernsehen anderntags in der echten Welt zu treffen.

Zu meinem Fernsehprogramm gehört die Serie Nashville, in der es um Country-Musiker geht, die sich gegenseitig die Hölle heiß machen. Ist nicht hip, kucke ich aber gerne. Als ich dann auf den Weihnachtsmarkt des Feuerwehrmuseums in Norderstedt ging, dachte ich: „Holla, da vorne sitzt Deacon Claybourne!“

Deacon Claybourne ist ein trockener Alkoholiker, er ist Anfang 40 und dick im Geschäft als Country-Gitarrist. Deacon hat große Probleme mit einer unerwiderten Liebe und einer Vaterschaft, von der er erst erfährt, als seine Tochter 13 ist. Geld und Ruhm könnte er haben, interessieren ihn aber nicht. Sympathischer Typ.

Auf dem Weihnachtsmarkt des Feuerwehr-Museums saß er mit seinem Drei-Tage-Bart und seiner Gitarre unter einem Zeltdach auf einem Barhocker, er hatte eine Sängerin dabei und bereitete sich auf das Konzert vor, das gleich starten würde. Ich rechnete mit einer traurigen Ballade über die Unmöglichkeit der Liebe. Stattdessen kam „Schneeflöckchen, Weißröckchen“ zum Mitsingen.

Gunner Scott ist ein junger Songwriter im „Nashville“-Universum und saß kürzlich in der U2 Richtung Schlump. Er machte sein Ich-bin-nett-und-harmlos-Gesicht. Gunner muss auf dem Weg zur Probe sein, dachte ich, gleich trifft er seine Bandkollegen, die alle miteinander befreundet sind, obwohl jeder dem anderen schon mal das Herz gebrochen hat.

Ich überlegte kurz, ob ich mich an seine Versen heften und mit in den Übungsraum schlüpfen sollte. Aber dann dachte ich: Gunner Scott stalken? Was, wenn er mich anspricht? Implodiert dann die Fiktion? Kann ich dann die Serie nicht weiter kucken, weil ich ein Teil von ihr werde? Das wäre Mist.

Andererseits könnte man zurecht sagen, dass es im Leben etwas für sich hat, manchmal auch selber etwas zu erleben. Ich muss da immer an den Gitarristen meiner ersten Band denken, dem ich in jungen Jahren von einer Szene des Films „Blues Brothers“ erzählte: Jake und Elwood Blues steigen nach einer harten Verfolgungsjagd aus ihrem Auto, das nach dem Zuschlagen der Türen in seine Einzelteile zerfällt. „Selber erleben ist immer besser“, sagte der Gitarrist.

Ich gebe zu, dass ich es noch nicht geschafft habe, ein Auto in seine Einzelteile zu zerlegen. Außerdem habe ich keinen Hit geschrieben, habe noch nie Country-Musik gemacht und aller Voraussicht nach kein Kind gezeugt, von dem ich nichts weiß.

Ich finde auch, dass das Selber-Erleben die bessere Alternative zum Fernseher ist. Aber für dieses Jahr lasse ich’s gut sein. Das Jahr dauert ja nicht mehr lange. Nächstes Jahr mache ich dann selber wieder mit. Versprochen.

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