Neuer Trainer bei Hannover 96: Wunderliche Vorschusslorbeeren
Neuling Tayfun Korkut präsentiert sich bei seiner Vorstellung in Hannover selbstbewusst und als Liebhaber deutscher Tugenden.
HANNOVER taz | Für einen Neuling, der in der Hierarchie der Fußball-Bundesliga ganz weit unten steht, schlug er kesse und selbstbewusste Töne an. „Man muss seine Chancen im Leben nutzen. Und ich werde das mit aller Macht tun“, meint Tayfun Korkut.
Das Blitzlichtgewitter rund um seine Vorstellung als neuer Cheftrainer von Hannover 96 ließ er gelassen über sich ergehen. Die Reporter und Kameramänner drängelten sich, als wäre ein ganz Großer der Branche ins Niedersächsische gewechselt.
Doch Thomas Schaaf sowie Ralf Rangnick wollten nicht, und Giovanni Trapattoni, der sich um den Job in Hannover beworben hat, kam nicht zum Zug. „Wir haben keine mutige Entscheidung getroffen, sondern eine mit Perspektive“, sagt Hannovers Präsident Martin Kind über seinen in der Liga noch völlig unbekannten Hoffnungsträger.
Zwei Tage vor dem Trainingsstart von Hannover 96 konnte der türkischstämmige Korkut ein Gefühl dafür entwickeln, was ihn bei seiner ersten Station als Chefcoach im Profibereich erwartet. An seiner Seite saß mit Dirk Dufner jener Sportdirektor, der ihn erfolgreich umworben hat und nicht mit Vorschusslorbeer spart. Jung und ehrgeizig sei Korkut. Dazu auch noch kompetent, fleißig und eloquent. Dass der neue Trainer all das auf sich vereint, klingt zunächst wunderbar.
Aber ähnlich positive Eigenschaften haben die Entscheider von Hannover 96 zuletzt auch Mirko Slomka zugeschrieben, bevor sie ihm kurz nach Weihnachten kündigten. Wie Dufner bestätigte, gab es bis zuletzt sogar Gedankenspiele, Korkut als Assistent von Slomka einzustellen. „Ich war mitten in den Gesprächen. Es hätte auch sein können, dass ich zu Hause bleiben muss. Dann hat sich alles gedreht“, berichtete der 39-Jährige.
Viele Mängel in der Mannschaft
Es hat sich gründlich gedreht. Denn Korkut ist plötzlich der neue Chef in Hannover. Und Slomka, der seinem hochgelobten Nachfolger bereits artig gratuliert hat, ist arbeitslos.
Wie riskant das Trainer-wechsel-dich-Spiel für das auf den 13. Tabellenplatz abgerutschte Hannover 96 wirklich ist, lässt sich nur erahnen. Korkut findet eine Mannschaft um Kapitän Steven Cherundolo vor, die in der Hinrunde keinen einzigen Auswärtspunkt für sich verbuchen konnte und den nötigen Teamgeist vermissen ließ. Nach der Demontage von Slomka, der fast vier Jahre lang in Hannover im Amt war, möchte 96-Boss Kind einen gründlichen Neuanfang. „Die Mängel der Mannschaft waren in den letzten Wochen offensichtlich“, findet der 69-Jährige.
Kind wird Korkut deshalb einen neuen Assistenten, einen neuen Fitnesstrainer und mindestens einen neuen Profi spendieren. An den hohen Ansprüchen von Hannover 96 hat sich wenig geändert. Korkut war im Rahmen seiner Vorstellung aber klug genug, sich erst einmal bedeckt zu halten. Gespräche führen, die Spielertypen kennen lernen, in der Stadt ankommen: Er verlor die üblichen Sätze eines neuen Trainers, der sich nicht festlegen lassen möchte.
„Sprechen Sie Deutsch?“
Der hohe Grad an medialer Aufmerksamkeit, mit dem der Novize begrüßt worden ist, dürfte nur bedingt mit Ehrfurcht und Respekt zu tun haben. Trotz des Lobes von Bundestrainer Joachim Löw, der den ehemaligen türkischen Nationalspieler als Trainer von Fenerbahce Istanbul (1998) zu seinem Team zählte, bleibt es zunächst dabei: Hannover 96 hat einen Neuling bis zum Sommer 2016 unter Vertrag genommen.
Seine Referenzen als Nachwuchstrainer beim VfB Stuttgart und der TSG Hoffenheim sowie als Assistent der türkischen Nationalmannschaft sind vorzeigbar. Seine Erfahrung als Proficoach ist jedoch überschaubar. „Ich brauche einen guten Einstieg in der Bundesliga. Aber ich brauchte nicht lange zu überlegen. Denn Hannover 96 ist ein guter Bundesligaverein“, findet Korkut. Und er erklärt: „Ich bin in Deutschland geboren. Ich weiß viele deutsche Tugenden zu schätzen.“ Er meint vor allem den Fleiß und die Disziplin.
Als ein türkischer Reporter die Fragerunde unbedingt auf Türkisch eröffnen wollte, wies er diesen resolut zurück. „Sprechen Sie Deutsch? Es wäre am einfachsten, wenn Sie mich auf Deutsch fragen. Dann passt es auch. Ich bevorzuge das.“
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