: Neuer Szeneladen „Strass“ für Junkies
■ Strass soll Lücke schließen in der Berliner Versorgung für Drogenabhängige / Anne Klein: Strass kann der Verelendung wirksam begegnen
„Wir zerren nicht an dem Klienten und sagen: Los, lebe anders, sondern wir wollen, daß bei uns im offenen Bereich kein Beratungsdruck entsteht.“ So stellt sich Cornelia Freiberg, Leiterin des Szeneladens Strass, die Arbeit mit Drogenabhängigen vor. Um Drogenabhängigen, die aus dem sozialen Gefüge schon weitgehendst herausgefallenen sind, eine Anlaufstelle zu bieten, hat am Montag die Senatorin für Frauen, Jugend und Familie, Anne Klein, den etwas anderen Szeneladen für Junkies in der Yorckstraße19 eröffnet.
Der Szeneladen Strass ist das sechste Projekt vom Verein „Notdienst für Suchtmittelgefährdete und -abhängige in Berlin“. Mit einem breiten Angebot soll eine „Lücke im Versorgungssystem für Drogenabhängige“ geschlossen werden, hofft Cornelia Freiberg. Im Cafe des Szeneladens können sich Drogenabhängige treffen, ausruhen, aber auch von den insgesamt acht MitarbeiterInnnen beraten lassen. Außerdem stehen sowohl eine Dusche als auch eine Waschmaschine und ein Trockner für die Allgemeinheit zur Verfügung.
Die Idee für das neue Projekt war, Drogenabhängigen ohne Vorbedingungen Hilfe anzubieten. Man müsse sich mehr mit der Akzeptanz der Sucht auseinandersetzen, meinte Cornelia Freiberg. Die Arbeit bei Strass ist Suchtbegleitung. „Wir unterstützen jeden dabei, ganz konkret seine Lebensweise zu verändern“, erklärt Cornelia Freiberg. Der Abhängige soll in seiner psychosozialen Situation gestärkt werden, der Verelendung ein Riegel vorgeschoben werden. Das längerfristige Ziel: die Drogenfreiheit.
Anstatt sich ausschließlich auf die Drogendiskussion zu konzentrieren, müsse man wieder näher an das Thema Sucht hinkommen und einen gesellschaftlichen Kontext schaffen, erklärte Michael Hoffmann-Bayer, Leiter vom Notdienst für Suchtmittelgefährdete und -abhängige. Hoffmann-Bayer wies darauf hin, daß die Ursachen für die Drogensucht vielseitig seien und man ihr auch auf unterschiedlichste Art begegnen müsse. Die Hilfsangebote müßten auf alle Lebenslagen, in denen sich der Drogenabhängige befindet, ausgerichtet sein.
Mit ihrem neuen Projekt wollen die Sozialarbeiter auch Drogenabhängige erreichen, die bisher nicht erreichbar waren. Gemeint sind dabei in erster Linie Alt-Fixer, die auf eine langjährige Drogenkarriere mit etlichen Entzugstherapien zurückblicken. „Der Großteil der Betroffenen lebt in der Illegalität und meidet daher bewußt die offiziellen Beratungsmöglichkeiten“, berichtete Jürgen Schaffranek, einer der acht Sozialarbeiter des Szeneladens. An fünf Tagen in der Woche sind jeweils zwei von ihnen als Streetworker auf der Straße, um Kontakt zur Szene herzustellen. Zusätzlich beraten und informieren lassen können sich die Drogenabhängigen in der Sprechstunde einer Ärztin und eines Juristen. Strass ist der erste Szeneladen in Berlin, in dem auch eine Ärztin arbeitet. Um die Junkies vor Aids zu schützen, werden sterile Spritzen und Kondome ausgegeben.
Für die nächsten drei Jahre wird der Szeneladen Strass aus Mitteln des Bundesregierung finanziert. Nach der Modellphase soll das Land Berlin für die Finanzierung aufkommen. Die Senatorin Anne Klein erklärte auf der Eröffnungsveranstaltung, sie sei überzeugt, daß mit solchen Angeboten der Verelendung eines Teiles der Drogenabhängigen wirksam begegnet werden könne.
Julia Schmidt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen