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Neuer Syrien-Vermittler in DamaskusBrahimis schwere Mission

Sondervermittler Brahimi ist in Syrien eingetroffen. Mit schnellen Resultaten rechnet er nicht. Derweil haben Medien offizielle Flüchtlingszahlen veröffentlicht.

Immer ein offenes Ohr: Lakhdar Brahimi. Bild: dpa

DAMASKUS/BEIRUT dpa/rtr/dapd | Der neue Syrien-Sondervermittler Lakhdar Brahimi ist am Donnerstag in Damaskus eingetroffen, wo er in den kommenden Tagen mit Regierungsvertretern und Oppositionellen sprechen will.

Zur Ankunft Brahimis in der Hauptstadt sagte der syrische Vize-Außenminister Faissal Mekdad: „Wir sind zuversichtlich, dass Herr Brahimi die Entwicklungen versteht und einen Weg (findet), der trotz der Komplikationen die Probleme löst.“ Man sei optimistisch und wünsche ihm Glück.

Einen Plan für ein Ende des seit eineinhalb Jahren andauernden Konflikts will Brahimi aber erst vorlegen, wenn er mit allen Parteien gesprochen hat. Mit einem schnellen Durchbruch rechnet er aber nicht. Brahimi warnte bereits vor zu hohen Erwartungen. Seine Mission, zwischen den Parteien zu vermitteln und ein Ende der Gewalt zu erreichen, sei fast unmöglich. Brahimis Vorgänger, der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan, hatte sich unter anderem über mangelnde Unterstützung durch den Weltsicherheitsrat beklagt.

Der ägyptische Präsident Mohammed Mursi rief indes den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad erneut zum Rücktritt auf. „Es gibt keinen Platz für einen Präsidenten, der die eigenen Leute umbringt“, sagte er am Donnerstag nach einem Gespräch mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Brüssel.

In Bagdad erklärte der britische Außenminister William Hague, ein Machtwechsel sei "der einzige Weg um zu verhindern, dass sich der Bürgerkrieg in die Länge zieht oder der syrische Staat zusammenbricht".

Konkretes Handeln gefordert

„Wir sind alle gegen das, was das Regime in Syrien tut“, sagte Mursi. Die Mitglieder des von ihm gegründeten „Syrien-Quartetts“ (Ägypten, Türkei, Iran, Saudi-Arabien) wollten sich in Kürze erneut treffen, um zu prüfen, wie die Gewalt beendet werden könne. „Wir denken, dass wir einen Regimewechsel brauchen. Ich glaube, dass wir konkretes Handeln und Nachdruck und Geduld brauchen, damit das syrische Volk über die eigene Zukunft entscheiden kann.“

Die syrischen Regierungstruppen töteten indes bei einer Razzia in der Provinz Aleppo einen ehemaligen Parlamentarier. Aktivisten berichteten, Ahmed al-Turk sei in seinem Haus in der Ortschaft Harasta erschossen worden. Einen Sohn des Politikers hätten die Soldaten abgeführt. Landesweit starben nach Angaben der Opposition am Donnerstag 36 Menschen. Die meisten Opfer soll es in Aleppo gegeben haben.

Die syrische Zeitung Al-Watan veröffentlichte erstmals offizielle Daten zur Zahl der Vertriebenen. Danach leben aktuell mehr als 300.000 Familien in Notunterkünften. Viele von ihnen seien in Schulgebäuden untergebracht, weshalb der Unterricht nach den Sommerferien in vielen Bezirken nicht habe beginnen können. Außerhalb Syriens halten sich derzeit rund 257.000 Flüchtlinge auf.

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2 Kommentare

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  • A
    Ant-iPod

    Hat man immer noch nicht verstanden, dass Baschar keine Verhandlungslösung will, sondern die totale Unterwerfung aller Syrer unter seiner Herrschaft?

    Ist irgendwie in den vergangenen 20 Monaten unklar geblieben, dass eine große Anzahl an Syrern dies nicht mehr geschehen lassen wird?

     

    Es ist nett, wenn die UNO am Rande versucht, ein wenig das Leid der Menschen zu lindern... da kann sie sicher eine Menge tun.

     

    Eine Lösung für den Konflikt kann sie nicht bieten. Diese albernen Rücktrittsforderungen etc. ist man allmählich leid. Entweder man verwendet seine Möglichkeiten, um ein anderes Handeln zu erwirken, oder man macht dies nicht.

    Diese verbale Heuchelei geht mir gegen den Strich.

     

    "Ach es ist so schlimm... Baschar soll doch zurücktreten.. wie fürchterlich das alles ist" - etc.

    Das wird genauso bleiben, wenn man nichts ändert.

    Das Böse obsiegt, weil die Guten zusehen, so ist es nunmal!

    Und kommt mir jetzt nicht mit "das muss man differenziert sehen..." oder "die Opposition sind doch nicht automatisch die Guten..." etc. - das ist alles hinlänglich bekannt.

    Nach 20 Monaten intensiven Zusehens wissen wir genau, was in Syrien vorgeht und unser Zusehen hat die Fanatisierung beider Seiten nur voran getrieben und die Gemäßigten in den Hintergrund gedrängt.

    Das ist das Ergebnis, wenn man zusieht und nichts tut!

  • IQ
    Ignaz Quadratwurzel

    Was sollte Brahimi anderes vorschlagen, als einen Waffenstillstand, einem Rückzug aller kämpfenden Truppen aus den bewohnten Gebieten.

    Dabei wird er weiterhin mit Vorstellungen konfrontiert sein, daß von beiden Seiten behauptet werden wird, ihre bewaffnete Anwesenheit wäre hier und da für die Aufrechterhaltung der Ordnung notwendig.

     

    Wie aber sollte er darauf anders reagieren, als den Einsatz von neutralen, mitunter auch bewaffneten Kräften und Beobachtern vorzuschlagen. Gibt es für deren mögliche Zusammenstellung irgendwelche Vorbereitungen, eine für alle Seiten akzeptable Zusammenstellung?

    Oder sollte er vorschlagen, in geräumten Gebieten unter internationaler Beobachtung eine zivile Selbstverwaltung aufzubauen, die in ihren Handlungen gegenüber den Beobachtern rechenschaftspflichtig wäre?

    Allen Bewohnern Syriens müsste dabei der freie Zugang zu den Beobachtern, um ihre Anliegen vortragen zu können, gewährleistet sein.

    Dabei aber müssten auch noch akute humane Fragen über Verschwundene, Verhaftete, Gefangene angegangen werden können.

     

    Wie auch immer, über das Wie, das Wenn und die vielen Aber hätten sich die Verantwortlichen in der EU, den USA in Russland und China unter Einbeziehung des Iran etc. schon längst zusammensetzen sollen, um dabei Vorschläge zu erarbeiten, die von keiner Seite in Syrien so einfach zur Seite geschoben werden könnten, ohne dadurch als Kriegstreiber und unverantwortlich Handelnde dazustehen.

    Zugleich hätten die Verantwortlichen dabei schon die notwendigen Soforthilfen ins Auge zu fassen, denn auch der Winter steht bald vor der Tür.

    Auch für Assad läge darin eine Chance, denn er könnte mit Verzicht angeblich ihm legitimerweise zustehender Autorität unter Beweis stellen, daß ihm das Wohl des Landes und seiner Bevölkerung mehr wert ist, als das Bestehen auf Recht, dass offenbar nicht in der Lage ist, die Bevölkerung Syriens ausreichend zu schützen.

     

    Ist irgendetwas von solchen Bemühungen zu sehen?

     

    Wenn die EU-Parlamentarier die europäischen Regierungen aufforderten, Assad zu bitten, Schutzgebiete einrichten zu dürfen, wo die Bevölkerung vor Übergriffen egal von welcher Seite geschützt wäre, käme ein Wille zur Entspannung rüber.

    Denn wenn es um Menschenleben geht, ist man sich nicht zu schade, eine Bitte zu äußern, auch dann, wenn man sein Gegenüber für einen Diktator, gar einen Verbrecher hält.

    Das aber ist auch angemessener, als mit starken Worten den „Machtwechsel“ zu fordern und dann eine Bevölkerung bluten zu lassen.