Neuer Sexskandal um Italiens Premier: Bei Anruf Freilassung
Eine 17-Jährige berichtete von ausschweifenden Partys in der Mailänder Residenz von Italiens Premier Berlusconi. Dessen Mitarbeiter sollen sie vor Ermittlungen bewahrt haben.
ROM taz | Es war ein Fall, wie er bei der Polizei in Mailand öfter vorkommt. Ein 17-jähriges Mädchen, Marokkanerin, war aufgegriffen worden, weil es im Verdacht stand, einer Bekannten 3.000 Euro gestohlen zu haben. Doch gerade als die Beamten die Fotos für die Kartei schießen wollten, nahm die Geschichte eine überraschende Wendung. Ein Anrufer aus dem Amt des Premiers Silvio Berlusconi forderte die Polizisten angeblich auf, die Minderjährige gehen zu lassen.
So begann am 28. Mai 2010 der neueste Sexskandal rund um Silvio Berlusconi, der am Donnerstag durch die Tageszeitung La Repubblica öffentlich wurde. "Ruby" - so heißt das Mädchen in der Presse - durfte sich über eine besondere Behandlung freuen. Kaum hatten die Beamten das Mädchen freigelassen, wurde es von einer Frau an der Pforte des Polizeipräsidiums abgeholt. Die 25-jährige Nicole Minetti verdiente ihr Geld früher als Zahnhygienikerin und TV-Sternchen - bis sie Berlusconi kennen lernte. Der ließ sie im Frühjahr 2010 umgehend ins Regionalparlament der Lombardei wählen.
Womöglich rührt Berlusconis Interesse an Ruby, die in Discos als Tänzerin, aber auch als Prostituierte ihr Geld verdient haben soll, schlicht daher, dass das Mädchen viel zu erzählen hat. Den Staatsanwälten vom Jugendgericht in Mailand berichtete sie von ausschweifenden Partys in Berlusconis Mailänder Residenz Arcore. Nur zwei Männer seien dort gewesen, der 74-jährige Ministerpräsident selbst und sein Intimus Emilio Fede.
Fede, 79 Jahre alt, ist Nachrichtenchef und Anchorman auf dem Berlusconi-Sender Rete 4. Vor allem aber teilen die beiden rüstigen Herren eine unstillbare Vorliebe für junge Mädchen. Gleich 20 sollen Berlusconi und Fede die Abende versüßt haben, wie Repubblica berichtet. Ruby selbst sei mit Berlusconi nicht ins Bett gegangen, aber von einem Abend wisse sie zu berichten, sie sei die einzige noch Bekleidete gewesen. Üppige Geschenke, 30.000 Euro, teurer Schmuck und Uhren, habe "Silvio" ihr zukommen lassen.
Strafrechtlich scheinen die Anwürfe gegen Berlusconi irrelevant zu sein. Gegen Nicole Minetti, Emilio Fede und einen zweiten Berlusconi-Freund, den Show-Manager Lele Mora, werde jedoch wegen Förderung der Prostitution ermittelt, berichtet La Repubblica. Und das Oppositionsblatt stellt eine bekannte Frage: Kann Italien sich einen Regierungschef leisten, der sich mit seinen Eskapaden immer wieder zum Objekt möglicher Erpressungen macht?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren