piwik no script img

Neuer Ridley-Scott-FilmDer Gangster als Unternehmer

Neu ist die Geschichte nicht, die Ridley Scott in "American Gangster" erzählt. Aber selten wurde sie so unauffällig smart gespielt wie von Denzel Washington und Russel Crowe.

Immer schön unauffällig bleiben: Nutten und Bling sind Frank Lucas (Denzel Washington) zuwider. Bild: David Lee/Universal Pictures

Mit seinen exzentrischen Vorgängern, die ihre gesellschaftliche Rolle als Gangster offen zur Schau stellten, hat Frank Lucas nicht mehr viel gemein. Er verkörpert den modernen Mobster und ist eindeutig ein Mann seiner Zeit - er stehe als schwarzer Geschäftsmann gar schlechthin für Fortschritt, wird sein zähester Gegenspieler am Ende einmal zu ihm sagen.

Zu Beginn des Films "American Gangster" hat Lucas eine geniale Idee, die eigentlich einer Klage über den Wandel der Zeit entstammt. Mit seinem Ziehvater betritt er einen Laden, in dem Billigelektronikgeräte verkauft werden. Was für den Älteren ein Zeichen des Niedergangs des amerikanischen Unternehmertums ist - die Mittelsmänner werden bei der Beschaffung von Produkten umgangen, damit man diese günstiger verkaufen kann -, wird für den Jüngeren zur Inspiration für seinen rasanten Aufstieg: Lucas begreift, dass man sich im Amerika Ende der 60er-Jahre an die veränderten Bedingungen des Kapitalismus anpassen muss.

Wie jeder gelungene Gangsterfilm erzählt also auch Ridley Scotts "American Gangster" von einer florierenden Schattenwirtschaft. Frank Lucas gibt es wirklich: Er ist heute 77 Jahre alt und längst ein Mythos, der in der Hiphop-Kultur entsprechend verklärt wird. In den 70er-Jahren stieg er zum ersten großen afroamerikanischen Mobster auf, mit einem Erfolgsrezept, das ebenso simpel wie bestechend war: Er verschaffte sich die Kontrolle über das Drogengeschäft, indem er den besten Stoff direkt aus Vietnam in den Särgen gefallener US-Soldaten ins Land einschmuggeln ließ. Die Konkurrenz besiegte er, indem er das bessere Produkt zum halben Preis unter dem coolen Label "Blue Magic" vertreiben ließ. Eine amerikanische Erfolgsgeschichte, die wie ein neoliberaler Glücksfall klingt, aber natürlich eines äußerst maroden Systems bedurfte, um zu gelingen.

Lucas wird in "American Gangster" von Denzel Washington gespielt, eine gute Wahl, da der US-Schauspieler eher zur Zurückhaltung als zum Ausagieren neigt. Sein Aufstieg zum wichtigsten Mann von Harlem geschieht mit ebenso großer Konsequenz wie Zurückhaltung. Der Film zeigt Lucas als Kriminellen mit eisernen Prinzipien, der auf keinen Fall auffallen will und die Öffentlichkeit dementsprechend meidet. Er verachtet andere Ganoven, die sich wie Pimps mit nackten Frauen und Goldringen auftakeln müssen, um ihre Stellung anzuzeigen. Er weiß, dass nur die Anonymität den reibungslosen Lauf seines Imperiums garantiert. Eigentlich ließe er sich als Traditionalist bezeichnen, der seine Brüder ins Familiengeschäft integriert und seiner Mama ein großes Haus schenkt, wäre da nicht sein Geschäftssinn, der noch eine ganz andere Sprache spricht.

Ähnlich wie Martin Scorseses "The Departed" setzt "American Gangster" auf die Kraft eines Gegenspielers, um die Eigenheiten (und Gemeinsamkeiten) der Kontrahenten besser hervorzuheben. Lucas Nemesis heißt Richie Roberts (Russel Crowe) und ist ein leicht übergewichtiger Cop, der all seinen moralischen Ehrgeiz in den Job investiert. Einmal findet er eine Million Dollar im Kofferraum eines Wagens: Schmiergeld, das der rechtschaffene Polizist im Dezernat abliefert. Seitdem wird er von den meisten seiner Kollegen gemieden und verachtet. Die Polizei ist korrupt.

Roberts ist eine sympathisch raue Klischeefigur wie aus einem Thriller von Don Siegel, was sich auch als konzeptuelle Schwäche des Films auslegen lässt: Er ist ein wenig zu gut erfunden, zu reibungslos in das dramatische Schema des Films eingepasst. Immerhin bleibt es ein schöner Zug des Drehbuchs von Steven Zaillian, dass Roberts auf einem Boxkampf von Mohammed Ali auf die Spur von Lucas gerät, zu dem der Gangster das einzige Mal in teuren Pelz gehüllt erscheint. Lucas wird den Mantel später zornig verheizen, aber da ist es natürlich schon zu spät.

Scott parallelisiert den Tatendrang der beiden Protagonisten und zeigt darüber zwei Wege auf, mit den Realitäten der Zeit zurandezukommen. Wo der eine alles daran setzt, sein Vermögen zu vermehren - und damit im Grunde mehr als der andere dem amerikanischen Geist entspricht -, setzt sein Kontrahent alles daran, den Filz im eigenen Apparat aufzudecken: Sein richtiger Gegner ist nämlich weniger Lucas als Trupo, ein von Josh Brolin mit schmierigem Charme verkörperter Cop, der jede Gelegenheit nutzt, sein Gehalt aufzubessern. In der Auflösung dieser komplexen Interessenlagen kommt es schließlich zu überraschenden Allianzen, die zeigen, dass die moralischen Fronten nicht mehr sauber voneinander zu trennen sind.

Scott, dem man auf jeden Fall keinen Mangel an Ehrgeiz vorwerfen kann, investiert viel Augenmerk in ein zeithistorisch akkurates Erscheinungsbild des Films, von der Musik über die Ausstattung bis hin zu der Kolorierung einzelner Szenen. Im Unterschied zu David Finchers Gangsterfilm "Zodiac", der vom selben Kameramann, Harris Savides, fotografiert wurde, erhält das Zeitbild hier aber keine Funktion, die über jene lokale und geschichtliche Einbettung der Geschichte hinausginge: Es bleibt dienstbar und ohne Deutungsmacht.

Ähnlich verhält es sich mit der Regie, die dem Storytelling verpflichtet ist, sich kaum in den Vordergrund drängt und nur wenige Szenen zu bieten hat, die sich selbst genügen. Vielleicht wirkt "American Gangster" dadurch stellenweise zu kontrolliert und aufgeräumt, obwohl er doch eine Geschichte voller gegenläufiger Energien entwirft, die sich so ungebremst entladen. Das Unauffällige, das sich Frank Lucas zu eigen machte, um seine Macht zu festigen, es bestimmt in gewisser Hinsicht auch den Film: statt Abarbeitung am Mythos mehr ein smarter Relaunch des Gangsterfilms als Unternehmergeschichte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!