Neuer Mädchentreff: Stadtteile kümmern sich
Geschlechtsspezifische Arbeit wird endlich Mainstream: Nach Gröpelingen bekommt jetzt auch Hastedt einen Mädchentreff, der aus Beiratsmitteln finanziert wird.
Morgen eröffnet in Hastedt der erste Mädchentreff des Stadtteils. Das ist nicht nur für den Bremer Südosten etwas Neues, sondern auch – wenn man es etwas gewichtig ausdrücken möchte – Teil eines gesellschaftlichen Paradigmenwechsels: Während Einrichtungen wie die Neustädter Gewitterziegen, der Huchtinger Mädchentreff oder auch das Mädchenkulturhaus im Ostertor schon vor vielen Jahren aus der Frauenbewegung heraus entstanden, wird dieser Bedarf nun auch ohne speziellen gesellschaftspolitischen Hintergrund erkannt.
Sowohl bei der Einrichtung des Gröpelinger Mädchenzentrums 2010 wie jetzt auch in Hastedt ging die Initiative vom Beirat aus – der bereit ist, innerhalb seiner engen finanziellen Spielräume eine solche Schwerpunktsetzung zu ermöglichen. In Gröpelingen sind das 100.000 Euro pro Jahr, in Hastedt immer noch 30.000. „Das ist eine sehr bemerkenswerte Steuerung“, sagt Heike Ohlebusch vom Bremer Mädchenhaus e.V., der das Gröpelinger Mädchenzentrum betreibt.
Die Grundlage dieser Engagements bildeten jeweils Bürgerbefragungen. Dabei, so Ohlebusch, wurde deutlich: „Die jugendlichen Mädchen verschwinden.“ Will heißen: Für sie gibt es keine Betreuungs- und Unterstützungsangebote. Dieser Mangel fand Eingang ins Stadtteil-Entwicklungskonzept – und wurde tatsächlich angegangen.
In Hastedt geschieht dies freilich auf einer äußerlich bescheidenen Ebene. In der Hastedter Heerstraße 164, einer ehemaligen Hebammenpraxis, sind die Türen zunächst nur montags und mittwochs für Mädchen zwischen acht und 18 Jahren geöffnet, eine halbe Sozialpädagoginnen-Stelle steht zur Verfügung. An den anderen Tagen stehen die Räume für andere Nutzerinnen offen. Noch besser wäre freilich der Ausbau der Personalmittel, um die eigenen Angebote ausbauen zu können.
Zwei Gruppen haben ihre Arbeit bereits ohne feste Bleibe begonnen – die eine als offene Gruppe, die andere mit dem Schwerpunkt Theater. Zudem laufe, sagt Tanja Wendt, die den Hastedter Treff aufbaut, ein Beteiligungsprojekt: „Wir diskutieren, was wir anschaffen und wie wir uns einrichten.“ Auch das Programm solle sich „aus den Ideen und Belangen der Mädchen speisen“. In dieser Selbstbestimmtheit liegt für Wendt ein entscheidender Vorteil für die Mädchen: „In gemischtgeschlechtlichen Einrichtungen ziehen sie sich eher zurück.“
Aber wäre es nicht wichtig, Mädchen gerade im Rahmen gemischtgeschlechtlicher Einrichtungen darin zu unterstützen, sich in der Gegenwart von Jungs zu behaupten? Auch Wendt sieht als Ziel, „dass Mädchen im öffentlichen Raum mutiger werden“. Doch dafür bedürfe es zunächst auch der Entwicklungschancen, die Rückzugsräume böten. Wendts Beispiel: „Im gemeinsamen Graffiti-Projekt trauen sich die Mädchen meistens nicht, selbst zu den Sprühdosen zu greifen.“
Träger des Mädchentreffs ist der Sofa e.V., wobei „Sofa“ für „Sozialpädagogische Familien- und Lebenshilfe“ steht. Sofa e.V., der seinen Hauptsitz in Achim hat, ist ein niedersächsischer Player: Im Bremer Umland unterhält er 13 Jugend-Einrichtungen, doch seit einigen Jahren ist er auch in Bremen selbst aktiv: Er betreibt das Jugend- und Begegnungszentrum Walle und das Jugendfreizeitheim Haferkamp.
Warum hat sich der Mädchenhaus e.V. , der in Gröpelingen bereits positive Erfahrungen gesammelt hat, nicht selbst beworben? „Als Träger zahlt man bei so etwas eher drauf“, sagt Ohlebusch. Dabei würde der Bedarf nach Mädchen-Einrichtungen zunehmend auch von Elternseite gesehen: „Es gibt immer mehr Familien, nicht nur mit migrantischem Hintergrund, die ihre Kinder nicht gerne in gemischtgeschlechtliche Einrichtungen gehen lassen würden.“
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