Neuer Landesmindestlohn in Bremen: Ein Schritt in Richtung zwölf Euro
Der Landesmindestlohn in Bremen soll ab Juli auf 11,13 Euro steigen. Profitieren werden davon auch studentische Hilfskräfte und Beschäftigte des zweiten Arbeitsmarkts.
Profitieren würden in Bremen somit unter anderem ArbeitnehmerInnen öffentlicher Einrichtungen, die bislang keinen Tariflohn sondern nur den Bundesmindestlohn bekamen. Dazu zählen rund 3.000 studentische Hilfskräfte der Universität, die fortan knapp zwei Euro pro Stunde mehr verdienten. Ebenso betrifft der neue Landesmindestlohn ArbeitnehmerInnen des zweiten Arbeitsmarktes: 11,13 Euro pro Stunde erhält dann auch, dessen Beschäftigung gefördert wird – sofern diese Zuwendungen aus Landesmitteln kommen. In Bremen fallen darunter etwa die 500 Arbeitsplätze im Programm „Lazlo“, mit denen die Landesregierung seit 2018 Langzeitarbeitslosen eine Perspektive bieten will.
Noch nicht klar ist laut Wirtschaftsressort die Situation bei Beschäftigten der Gepäckabfertigung, die in einer Tochtergesellschaft des Bremer Flughafens arbeiten. Der ist zwar in städtischer Hand, eine zu große Lohnerhöhung könnte aber die Tochtergesellschaft wirtschaftlich überfordern, erklärte Wirtschaftsressortsprecher Tim Cordßen. Als Land Geld zuzuschießen, dagegen bestünden zuwendungsrechtliche Hürden.
Nicht automatisch greifen wird der Landesmindestlohn bei den Niedriglohnbeschäftigten im Hochregallager der Bremer Lagerhaus-Gesellschaft AG. An der hält die Stadtgemeinde zwar über 50 Prozent der Anteile, allerdings würde bei einer Aktiengesellschaft laut Cordßen der Mindestlohn eines Mehrheitseigners nicht übernommen.
Ingo SchierenbeckArbeitnehmerkammer Bremen
Bremen hatte 2012 als erstes Bundesland einen Landesmindestlohn eingeführt. Drei Jahre später entschied sich die Große Koalition in Berlin bundesweit für eine Lohnuntergrenze. Diese hatte den bisherigen Bremer Mindestlohn von zuletzt 8,84 Euro überholt. Der rot-grüne Senat hatte deshalb – trotz Kritik der Gewerkschaften – seine eigene Regelung 2016 de facto ausgesetzt.
Ihn nun zu erhöhen, ist auch ein politisches Signal. Es sei das „Ziel, den Mindestlohn so zu bemessen, dass alleinstehende Vollzeitbeschäftigte ihre Lebenshaltungskosten ohne staatliche Zuschüsse decken können“, heißt es in einem Entwurf des Koalitionsantrags. Und: Auch im Rentenalter solle man nach Erhalt des Mindestlohnes nicht aufstocken müssen.
Eine existenzsichernde Lohnuntergrenze wäre auch beim Bundesmindestlohn ihr Wunsch, erklärte Sybille Böschen, arbeitspolitische Sprecherin der SPD. Allerdings: „Was der Bund verabredet hat, ist nicht auskömmlich. Von daher muss man mit einer eigenständigen Regelung nachlegen, die hoffentlich Druck auf den Kessel bringt.“ Angepeilt sei ein Mindestlohn von zwölf Euro.
Seltene Tariflöhne
Begrüßt wird die Erhöhung unter anderem von der Linksfraktion und der Arbeitnehmerkammer. Letztere hatte vergangene Woche Zahlen vorgelegt: Für eine Rente oberhalb der Grundsicherung wäre ein Mindestlohn von 12,80 Euro notwendig – selbst bei einer ungebrochenen Erwerbsbiographie von 45 Beitragsjahren in Vollzeit.
„Schon heute reicht im Land Bremen die Rente für 15.500 Ältere und Erwerbsgeminderte nicht aus“, erklärte Ingo Schierenbeck, Hauptgeschäftsführer der Arbeitnehmerkammer. Rund 16.000 ArbeitnehmerInnen seien „arm trotz Arbeit“ und erhielten teilweise als alleinstehende Vollzeitbeschäftige aufstockende Sozialleistungen. Jenseits der Erhöhung erklärte Schierenbeck: „Gute Löhne sind keine Mindestlöhne, sondern Tariflöhne. Dass nur noch 20 Prozent der Betriebe im Land Bremen nach Tarif bezahlen, ist das eigentliche Problem.“
Der neue Betrag des Landesmindestlohns entspricht nun zunächst der untersten Lohnstufe des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder, auf den sich jüngst erst Anfang März neu geeinigt wurde. Eine eigene Kommission aus Arbeitnehmer- und ArbeitgebervertreterInnen soll über eine künftige Erhöhung beraten und Empfehlungen aussprechen. Entschieden wird letztendlich im Senat.
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