Neuer Dienst "Wave": Googles frische Welle
Emails, Instant Messaging, Online-Textverarbeitung: Googles neuer Dienst Wave, will vieles sein. Die Reaktionen reichen von Begeisterung bis Skepsis.
Ist Google Wave die Zukunft der Internet-Kommunikation? Wenn man den Web-Entwickler Lars Rasmussen fragt, der mit seinem Bruder bereits den populären Kartendienst "Google Maps" schuf, lautet die Antwort uneingeschränkt "ja". Als der in Dänemark geborene Google-Programmierer am vergangenen Donnerstag auf der firmeneigenen Entwicklerkonferenz "I/O" in San Francisco sein neustes Projekt Google Wave vorstellte, teilte der Saal seine Begeisterung: Endlich, so schien es, versucht da jemand, lange eingeübte Nutzungsabläufe zu durchbrechen, die sich doch eigentlich deutlich verbessern ließen.
Einfach zu erklären ist der neue Google-Dienst nicht: Es handelt sich um eine Art Hybrid aus E-Mail, Forum, Instant Messaging, Online-Textverarbeitung und Wiki. Teilnehmende Nutzer können einen neuen Kommunikationsstrang starten und sehen stets, wer was geändert hat.
Im Gegensatz zu E-Mail oder Instant Messaging bietet Google Wave ein durchaus faszinierendes Live-Gefühl: Man kann beobachten, wie die Kommunikationspartner tippen, Buchstabe für Buchstabe tauchen neue Einträge auf. Statt wie bei E-Mails komplexe Antwortbäume aufzubauen, kann man bei Wave überall in einer Botschaft intervenieren und seinen Senf dazugeben.
Alle Teilnehmer des aktuellen Dokuments behalten dabei den Überblick - wobei es auch möglich ist, Privatgespräche zu integrieren. Bekommt ein Nutzer einen Kommunikationsablauf einmal nicht "live" mit, kann er mit einer Art Videorekorderfunktion diesen Schritt für Schritt rekonstruieren und sehen, wer was wann verändert hat. Sogar eine Integration in die eigene Website ist problemlos möglich.
Durch die Echtzeitübertragung kann Google außerdem so genannte "Roboter" integrieren: Sie sorgen beispielsweise dafür, dass sofort eine Rechtschreibkorrektur durchgeführt wird, Links oder Videos automatisch integriert werden oder sogar direkte Übersetzungen in Fremdsprachen möglich sind. Außerdem zeigt sich Wave anschlussfreudig: Erweiterungen erlauben es beispielsweise, den Kommunikationsdienst Twitter zu integrieren oder Spiele zu programmieren, die direkt in dem Dienst stattfinden.
Im Gegensatz zu vielen anderen Google-Diensten, die stark auf die von außen unzugängliche, firmeneigene Infrastruktur des Internet-Riesen setzen, soll Wave tatsächlich offen sein. So wird nicht nur der zentrale Quellcode der Software freigegeben (Google hofft, dass externe Entwickler dem Unternehmen bei der Programmierung unter die Arme greifen), sondern auch die Möglichkeit, den Dienst ganz ohne Google-Logo auf einem eigenen Server anzubieten.
So können Organisationen und sogar Einzelpersonen auf Wunsch selbst zum Wave-Betreiber werden. Ein Austausch mit anderen Wave-Angeboten im Netz ist dabei problemlos möglich, auch die jeweiligen Zugänge sind universell nutzbar. Doch lässt sich die Kommunikation so auf Wunsch auch allein auf die eigene Infrastruktur beschränken. So soll es Unternehmen bedenkenlos möglich sein, Wave für Interna zu nutzen, ohne dass sensible Daten ins reguläre Internet gelangen.
Dabei will Google hoch hinaus: Entwickler Rasmussen betonte, man sehe in Wave "ein Protokoll wie E-Mail" - auch die funktioniere bekanntlich vor allem deshalb so gut, weil es sich um eine offene Infrastruktur handele, an die sich jederzeit neue Anwender (und Server) anschließen könnten.
Der Konzern äußerte sich noch nicht dazu, ab wann genau Google Wave verfügbar sein wird - "noch in diesem Jahr" ist die aktuelle Aussage. Auf der "I/O" anwesende Web-Entwickler erhielten immerhin einen Vorabzugang und können den Dienst nun ausprobieren und testen, ob er in ihre eigenen Angebote passt. Die Demonstration auf der Konferenz wies außerdem noch einige Unvollständigkeiten auf. Hier und da fehlten Sicherheitsabfragen, außerdem blieb Wave mehrfach hängen.
Die Grundlagen des Systems wirkten jedoch sehr stabil. Interessant wird nun vor allem, ob und wie Google der Welt Wave als echte Alternative zu bestehenden Internet-Kommunikationsformen verkaufen kann.
Doch die Reaktionen auf den Dienst sind recht durchwachsen. Internet-Experte John Gruber schrieb etwa in seinem Weblog, das System sei nicht nur technisch komplex, sondern auch konzeptionell. "Kommunikationssysteme, die erfolgreich sind, haben aber auch ein einfaches Konzept: Der Telegraf, das Telefon, Fax, E-Mail, IM oder Twitter. Ich bin deshalb skeptisch, was die Aussichten von Wave anbetrifft."
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