Neuer Chef der "Abendzeitung": Noch sind alle schimmerlos

Die Münchner "Abendzeitung" ist momentan auf Selbstfindungskurs. Offen ist noch, wer der neue Chefredakteur wird. Fest steht, dass er nicht aus dem Haus kommt.

Machtkämpfe und Mauscheleien unter Klatschreportern: Szene aus "Kir Royal". Bild: wdr

Eigentlich wäre das, was derzeit in München los ist, ein gefundenes Fressen für jeden Klatschreporter, eine Geschichte wie aus "Kir Royal". Es ist alles da: Machtkämpfe, Mauscheleien, allein das barbusige Madl fehlt. Und trotzdem muss das Vorbild für die bayerische Fernsehserie, die Abendzeitung (AZ), diesmal passen. Denn es geht um sie selbst.

Am vergangenen Freitag reicht der stellvertretende Chefredakteur Torsten Fricke seine Kündigung ein, um als Unternehmensprecher zu Premiere zu wechseln - nicht zuletzt, um der katastrophalen Zusammenarbeit mit Chefredakteur Michael Radtke ein Ende zu setzen. "Jede witzige Formulierung, alles, was ein bisschen mehr Boulevard war, hat er ausgebremst", sagt Fricke. Die Vorschläge seines Stellvertreters habe Radtke als "Palastrevolution" bezeichnet.

Fricke will also nicht mehr. Als eine SMS kommt, in der ihm der Job bei Premiere angeboten wird, greift er zu. Man gibt ihm seitens der AZ aber zu verstehen, dass sich sein Problem womöglich nach dem Wochenende erledigt haben könnte. Doch Fricke beharrt auf seiner Kündigung. "Auch wenn man mir den Chefposten gegeben hätte und das doppelte Gehalt, ich wäre trotzdem zu Premiere gegangen."

Am Montag dann gibt Geschäftsführer Ulrich Buser bekannt, Radtke habe um seine Freistellung gebeten - wegen unterschiedlicher konzeptioneller Vorstellungen. Tatsächlich hatte Radtke ein Konzept entwickelt, um die AZ aus der Krise zu holen. Seit Jahren ist die Auflage im Sinkflug, in den letzten zwei Jahren hat die Zeitung 2.000 Abonnementen eingebüßt, am Kiosk verkauft sie 11.000 Exemplare weniger als 2005. Die Konkurrenten auf dem Münchner Boulevardzeitungsmarkt, tz und Bild, sind im Kioskverkauf vorbeigezogen.

In Medienkreisen munkelt man, dass Herausgeber Johannes Friedmann, der auch beharrlich an seinen Anteilen an der Süddeutschen Zeitung festhält, die AZ allein aus ideologischen Gründen aufrechterhalte. "Ökonomisch gesehen, müsste er sie längst zumachen", sagt ein Insider.

Neue Ideen sind also dringend nötig. Offensichtlich hatte Geschäftsführer Buser jedoch so wenig Vertrauen, dass diese vom Chefredakteur selbst kommen würden, dass er parallel eine Arbeitsgruppe einsetzte, die ebenfalls ein neues Konzept entwickelte - darunter Gunnar Jans und Georg Thanscheidt, Ressortleiter für Sport und Lokales, die unmittelbar nach Radtkes Weggang zu stellvertretenden Chefredakteuren ernannt wurden.

Radtke wehrte sich nicht. Stattdessen igelte er sich in seinem Büro ein, tauchte nur sporadisch bei Konferenzen auf, Kontakt zu Mitarbeiten gab es kaum. So hat sein Stellvertreter Fricke, wie er sagt, bis heute keine Ahnung, was überhaupt in Radtkes Konzept stehe. Der hielt es Fricke zufolge nicht für nötig, ihn einzuweihen.

Im Flurfunk hört man, die AZ habe Radtke nur deshalb nicht gekündigt, weil ihr die Mittel für eine Abfindung fehlten. Dass Radtke um seine Freistellung "gebeten" habe, wie es offiziell heißt, glaubt kaum jemand.

Fricke hat nun noch bis Ende November die Leitung inne. Die vergangenen zwei Tage, in denen er die Redaktion führte, hat er genutzt, um umzusetzen, zu was er unter Radtkes Regie keine Möglickeit hatte. Erste Schritte: Die Kolumne von TV-Pfarrer Jürgen Fliege wird es nächstes Jahr nicht mehr geben. Der Kasten "AZ kompakt", der auf der Leserbriefseite die Schwerpunkte der aktuellen Ausgabe zusammenfasst, wurde bereits abgeschafft. Grundsätzlich will man sich mehr auf München konzentrieren.

Laut Fricke laufe die Arbeit mit Jans und Thanscheidt hervorragend. Allerdings darf sich keiner der beiden Chancen auf die Leitung ausrechnen. Wie Buser der taz sagte, kommt der designierte Chefredakteur von außen. Der Name soll in den nächsten Tagen bekannt geben werden - ziemlich schnell also. So schnell, dass man in der Redaktion mit jemandem aus dem Burdaverlag rechnet, für den Buser lange arbeitete.

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