Neuer CDU-Generalsekretär Linnemann: Mit angestrengtem Blick nach vorne
Der CDU-Vorstand wählt Carsten Linnemann zum Generalsekretär. Die Causa Maaßen wird innerhalb der Partei der derweil gekonnt ignoriert.
![Carsten Linnemann spricht ins Mikrofon und Friedrich Merz schaut ihm etwas kritisch zu Carsten Linnemann spricht ins Mikrofon und Friedrich Merz schaut ihm etwas kritisch zu](https://taz.de/picture/6386761/14/33196524-1.jpeg)
Es ist ein kleiner Erdrutsch bei der CDU, und viele Parteimitglieder zeigen sich darüber hoch erfreut. Der Bundesvorstand hat einstimmig und ohne Enthaltung den Wirtschaftspolitiker Carsten Linnemann zum neuen Generalsekretär der Partei gewählt, Czaja muss den Posten räumen. „Carsten Linnemann ist in der CDU fest verankert und genießt in der Partei großes Vertrauen“, sagte CDU-Chef Friedrich Merz.
Seit fast zwei Jahren ist die Union damit beschäftigt, ein neues Parteiprogramm aufzusetzen, schafft es jedoch nicht, aus den internen Diskussionen einen politischen Antrieb zu generieren. Auch die Krise der Ampelkoalition zahlt sich nicht für die CDU aus. Innerhalb der Parteiführung kursiert die Angst, in der Bevölkerung als Teil des Problems im Berliner Regierungsviertel wahrgenommen zu werden. Nun soll es Linnemann richten und der Union als Generalsekretär wieder zu mehr Schärfe verhelfen. In der Partei bauen sie dafür auf seinen hitzigen Charakter. Oder in den Worten von Merz: „Linnemann brennt für die CDU.“
Der 45-jährige Linnemann gilt, obwohl er bereits seit 2009 im Bundestag sitzt, als Quell der Frische in der Union. Bei seinen Reden, die er frei und ohne Aussetzer hält, steht er nach kurzer Zeit oftmals mit rotem Kopf vor dem Publikum und kneift die Augen konzentriert zusammen. Er kann sich in Rage reden, wenn es um offensichtliche Schnittmengen der CDU mit der AfD bei Fragen der Migration oder zuletzt beim Gebäudeenergiegesetz geht. Der Paderborner hat in Chemnitz in Volkswirtschaftslehre promoviert, gilt als Verfechter eines schlanken Staats in marktwirtschaftlichen Fragen und eines starken Staats in der Sicherheitspolitik. Im Umgang mit der AfD zählt er zu den Menschen, die mit Rechten reden wollen, um sie mit ihrer Politik zu konfrontieren.
Mario Czaja, ex-Generalsekretär
Seine Antrittsrede im Konrad-Adenauer-Haus beginnt Linnemann dann auch mit einem kleinen Angriff gegen die Bundesregierung: Die Ampel schaffe es nicht, in Zeiten von Krieg und Inflation den Menschen Orientierung zu geben. Das zu liefern sei die Aufgabe der CDU. „Wir nehmen die Menschen, wie sie sind, und nicht, wie sie sein sollen“, sagt Linnemann und wiederholt damit das Mantra, das er auch in seiner Arbeit als Verantwortlicher für das neue CDU-Grundsatzprogramm immer wieder betont hat.
Linnemann soll diese Aufgabe auch weiterhin erfüllen. Das neue Parteiprogramm soll im kommenden Mai auf dem Bundesparteitag der Union verabschiedet werden. Dann muss Linnemann sich auch als Generalsekretär noch mal zur Wahl stellen, mit dem Beschluss des CDU-Bundesvorstands übernimmt er das Amt vorerst kommissarisch.
Czajas Auftritt am Mittwoch in Berlin bringt ihm großes Lob aus dem Parteivorstand ein: Dass er sich nach seiner Abwahl nochmal aufs Podium stellt, wird dort als Ausdruck seiner Charakterstärke gewertet. Er selbst bezeichnet seinen Rückzug aus dem Amt gar als „besonderen Tag“ für die Union. Als Generalsekretär stand er schon länger auf verlorenem Posten, weil viele in der Partei ihn als zu zaghaft wahrnahmen.
Dabei hatte Czaja sich innerhalb der Union Respekt verschafft, weil er der Linkspartei das Direktmandat im traditionell linken Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf in Berlin entrissen hatte. 2021 schlug Merz den 47-Jährigen als Generalsekretär vor, wohl wissend, die geplante Erneuerung der CDU breit verankern zu müssen; der ostdeutsche Sozialpolitiker Czaja schien dafür der geeignete Kandidat. Mit der Abberufung Czajas legt der Parteichef nun die Kehrtwende hin.
Nun stehen mit Linnemann und Merz zwei Männer aus Nordrhein-Westfalen, dazu noch aus benachbarten Wahlkreisen, auf den Spitzenpositionen der Union. Merz sagte dazu, NRW sei als größter Landesverband in der Union lange Zeit „unter Wert geschlagen gewesen“.
Zu einem anderen Fall schwieg der Parteivorstand am Mittwoch: Der rechtsextreme ehemalige Verfassungsschutzpräsident mit langjähriger CDU-Mitgliedschaft, Hans-Georg Maaßen, darf nach dem Urteil eines Thüringer Parteigerichts von Dienstag nicht aus der Union ausgeschlossen werden. Merz erklärte, der Vorstand warte noch auf die schriftliche Urteilsbegründung. Vielleicht wollte auch er sich mit den lästigen Vergangenheitskapiteln der Union vorerst nicht auseinandersetzen.
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