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Neuer Ärger um Innenminister Diestel

■ Immer wieder Stasi: Ausgerechnet die Umwandler von RAF-Mitgliedern in DDR-Bürger bekleiden Anti-Terror-Posten im DDR-Innenministerium / Früherer Stasi-Vizeminister Günter Neiber: Staatssicherheit war an keiner RAF-Aktion beteiligt / Ex-RAF-Frau Susanne Albrecht schon sehr bald auf freiem Fuß?

Berlin (ap/taz) - Nach den Verhaftungen mutmaßlicher Terroristen in der DDR ist das dortige Innenministerium erneut in die Schußlinie der Kritik geraten. Innenminister Peter-Michael Diestel (DSU) leitete am Wochenende eine Untersuchung gegen zwei seiner Mitarbeiter ein. Die beiden ehemaligen Stasi-Abteilungsleiter sollen nach einem Bericht des 'Spiegels‘ vom Unterschlupf mutmaßlicher Terroristen in der DDR gewußt haben. Und: Diestel habe bereits im Mai vom Aufenthalt von Ex-RAF-Mitgliedern gewußt. Das Zentrale Kriminalamt der DDR vernahm am Samstag zwei Mitarbeiter des Innenministeriums. Der 'Spiegel‘ hatte zuvor berichtet, Diestel beschäftige über 100 Mitarbeiter der ehemaligen Stasi-Hauptabteilung XXII, die für die Tarnung der früheren RAF-Mitglieder zuständig war. Darunter befänden sich auch zwei Abteilungsleiter, die nach Angaben eines Stasi-Experten über die Unterbringung der RAF-Mitglieder informiert gewesen sein müßten. Beide waren bisher auch im Staatskomitee zur Stasi-Auflösung beschäftigt.

Das Innenministerium bestätigte dies. Die namentlich bekannten Stasi-Leute hätten bei ihrer Vernehmung aber bestritten, über die Unterbringung von Terroristen informiert gewesen zu sein. Nach Angaben der Behörde soll nun die Rechtmäßigkeit der Einstellung der beiden Männer überprüft werden.

Nach Aussagen des früheren Stasi-Vizeministers Günter Neiber ist die Staatssicherheit allerdings in keinem Fall an Aktionen von Terroristen der „Rote Armee Fraktion“ beteiligt gewesen. Die Stasi habe von den in die DDR übergesiedelten RAF-Mitgliedern vielmehr eine Abkehr vom Terror verlangt, betonte Neiber in einem Interview der PDS-Zeitung 'Neues Deutschland‘. Für einige der Terroristen, die in der Stasi einen Verbündeten gesehen hätten, sei daraufhin „eine Welt zusammengebrochen“.

Währenddessen türmen sich Hürden für eine Auslieferung der ehemaligen RAF-Frau Susanne Albrecht an die BRD auf. Albrecht ist Bürgerin der DDR und kann daher nur unter Bedingungen, die in ihrem Fall nicht erfüllt sind, an die Westbehörden übergeben werden. Die mutmaßliche Mittäterin am Ponto-Attentat hat die ihr vorgeworfene Aktion begangen, als sie noch BRD-Bürgerin war. Nur die DDR selbst könnte einen Haftbefehl gegen Albrecht ausstellen - die gegen sie gerichteten Vorwürfe waren auch in der alten DDR strafrechtsrelevant. Dafür bedarf es jedoch der Zustimmung des DDR-Generalstaatsanwaltes. Doch dieser Posten ist unbesetzt. In Ost-Berlin halten es Justizkreise für möglich, daß Susanne Albrecht noch in dieser Woche auf freien Fuß gesetzt werden muß.

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