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Neue ukrainische MinisterpräsidentinWieder eine Julija an der Spitze der Regierung

Julija Swyrydenko, bislang Wirtschaftsministerin, wird von Präsident Selenskyj befördert. Die 39jährige gilt als gewiefte Verhandlerin.

Die neue ukrainische Premierministerin Yuliia Svyrydenko Foto: Vadym Sarakhan/ap

Berlin taz | An Vorschusslorbeeren mangelt es ihr nicht. 2023 tauchte Julija Swyrydenko auf der Liste Time 100 Next auf. Dort finden sich die weltweit einflussreichsten Personen, die die Zukunft verändern können. Ob das wirklich auf die 39-jährige Ukrainerin zutrifft, wird sich zeigen.

Am Donnerstag bestätigte das Parlament Swyrydenko als neue Ministerpräsidentin der Ukraine. Nach ihrer Namensvetterin Julija Timoschenko ist die Wunschkandidatin von Präsident Wolodymyr Selenskyj erst die zweite Frau auf diesem Posten.

Swyrydenko stammt aus der Großstadt Tschernihiw. Nach einem Studium der Wirtschaftswissenschaften mit dem Schwerpunkt Management an der Nationalen Hochschule für Handel und Wirtschaft in Kyjiw kehrt sie dorthin zurück. Zunächst ist sie sieben Jahre in der Privatwirtschaft tätig. 2015 macht Swyrydenko erste Gehversuche in der Politik und kandidiert auf der Liste der Partei des damaligen Präsidenten Petro Poroschenko für einen Sitz im Stadtrat von Tschernihiw, doch dafür reicht es nicht.

Im selben Jahr wird die verheiratete Mutter einer Tochter Beraterin des Chefs der Tschernihiwer Gebietsverwaltung. Wenige Monate später wird sie dessen Vize und im Frühjahr 2018 kommissarische Leiterin der Behörde. In dieser Rolle kümmert sie sich auch um die Opfer eines Brandes, der im Oktober 2018 bei der Stadt Itschnja in einem Munitionsdepot ausbricht.

Nächste Stufe

2019 wird Swyrydenko in Kyjiw in Selenskyjs erster Regierung ein Job angeboten: als eine von acht Stell­ver­tre­te­r*in­nen im Wirtschaftsministerium. Ab März 2020 sitzt sie als Vertreterin der Ukraine in der Arbeitsgruppe für soziale und wirtschaftliche Fragen der trilateralen Kontaktgruppe (Ukraine – OSZE – Russland). Diese bemüht sich um eine Friedenslösung im Donbass. In der Ostukraine herrscht infolge einer russischen Invasion seit 2014 Krieg.

Bei Sitzungen des Präsidialamtes ist es in der Regel Swyrydenko, die das Wirtschaftsministerium vertritt. Auch aus diesem Grund erscheint die nächste Stufe auf der Karriereleiter nur folgerichtig. Ende 2020 wird sie Stellvertreterin von Andriy Jermak – Leiter des Präsidialamtes und de facto einer der mächtigsten Männer in der Ukraine, knapp ein Jahr später Wirtschaftsministerin und Vize-Ministerpräsidentin in der Regierung von Denys Schmyhal.

Böse Zungen erklärten ihre Beförderung damals damit, dass mit ihr eine Loyale von Andriy Jermak in die Regierung entsandt worden sei, damit das Präsidialamt eine noch stärkere Kontrolle über das Ministerkabinett ausüben könne. Auch Ex-Präsident Poroschenko kann in dieser Woche, nach der Kabinettsumbildung, das Wasser nicht halten. Jermak sei einer der fünf, sechs Manager, die die Ukraine regierten. Schmyhal, einen Jermak im Hemd, durch Swyrydenko, einen Jermak im Rock, zu ersetzen, bedeute, nichts zu verändern, lautet sein Kommentar.

Gute Wahl

Doch es gibt auch Stimmen, die Swyrydenko für eine gute Wahl halten. Sie habe vielfältige Erfahrungen als fähige Unterhändlerin bei Gesprächen mit internationalen Partnern gesammelt. Dabei wird auch auf ihre Beteiligung an Verhandlungen über eine Mitgliedschaft der Ukraine in der EU hingewiesen.

Und sie habe gute Kontakte zur Trump-Regierung. Immerhin geht die Unterzeichnung des Rohstoff­deals mit Washington vor einigen Wochen auf ihr Konto. Doch was nützen Talente und Geschick, wenn andere die Vorgaben machen? Mögliche Erfolge Swyrydenkos werden auch davon abhängen, wie viel Gestaltungsspielraum sie wirklich hat.

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