Neue Websoap bei MySpace: "Hihi, Trash!"
Dienstag startet auf MySpace "Wir sind größer als groß". Die Ufa-Websoap brachte schon vorher Erzkatholiken gegen sich auf - gut für die Macher.
Neben dem Daddelautomat steht die Jukebox "Laserdisc", die Aschenbecher auf den Tischen werben für Lord Extra und von den Lampenschirmen prostet der Preußenkönig Friedrich dem Gast mit Pils in der Hand zu: In Berliner Eckkneipen scheint die Zeit stehen geblieben.
Da bildet das "Kindl Eck" in Neukölln keine Ausnahme. Und genau in diesem Relikt der Vorwendezeit wurde nun eine Websoap gedreht, eine Seifenopfer fürs Internet. Das "Kindl Eck" war deswegen eine März-Woche lang dicht. Auch für die Frau, die um elf Uhr vormittags anklopfte, um Eier zu kaufen.
"Wir sind größer als groß" heißt die Serie, die von Sven Miehe geschrieben sowie von Grundy Ufa ("Unter uns", "Gute Zeiten, schlechte Zeiten") produziert wurde. Gegen den ursprünglichen Titel "Wir sind größer als Gott" hagelte es Proteste von einer katholischen Internetplattform. Die Ufa wollte nichts ändern, doch der Sponsor, ein Schokoriegelhersteller, drängte darauf, und so läuft das Ganze ab heute unter neuer Flagge auf der Internetplattform MySpace. 70 Minuten Serie haben die Macher in der einen Woche gedreht. Daraus werden zehn Folgen à fünf Minuten plus Bonusmaterial. Sven Miehe bleibt mit seiner Serie also bei dem Konzept der bisherigen Webserien wie "They call us Candy Girls" (MySpace) oder "Die Piet Show", die auf StudiVZ lief und auch bereits aus dem Hause Grundy Ufa kam. Onliner wollen kurze Schnipsel sehen, keine langen Episoden - glaubt Miehe zumindest.
Die Story ist schnell erzählt: Die beiden Musiker Lemmy (Tim Eberts) und Huhn (Fabian Oscar Wien) haben mit ihrer Band "Größer als Gott" nur ein Ziel: Erfolg, im besten Fall mal Headliner beim Festival "Rock am Ring" sein. Doch "die beiden sind Loser", stellt Nike Wilhelms, von Grundy Ufa für das Marketing der Serie zuständig, fest. Und was machen erfolglose Musiker? Sie eröffnen eine Kneipe. Die heißt in der Serie nicht "Kindl Eck" - solche Namen verschwinden seit der Wende von Berlins Straßenkreuzungen - sondern "Dubrovnik", soll ein In-Club werden und die eigene Karriere pushen.
Mit Eberts und Wien wurden für die Serie "Schauspieler und keine Band gecastet", wie Producer Miehe betont. Eberts hat bis vor kurzem an einer Nebenbühne des Hamburger Schauspielhauses gespielt. Wien, dessen Vater Dieter fast 40 Jahre zum Ensemble des Berliner Maxim-Gorki-Theater gehörte, steht hauptsächlich für ein Kabarett auf der Bühne und für die gerade Grimmepreis-prämierte RTL-Serie "Doctors Diary" vor der Kamera. Miehe ist das wichtig. Er will nicht über den "Hihi-Trash-Effekt" punkten - trotz wackeliger Kameraführung. "Auch Daily-Soaps, die im Fernsehen laufen, haben sich mittlerweile von der statischen Kamera verabschiedet", sagt er. Vom Hihi-Trash-Effekt aber noch nicht, doch das verschweigt Miehe.
Mit "Wir sind größer als groß" glaubt er, inhaltlich genau das Richtige für MySpace geschrieben zu haben. Das Sujet Musik sei es schließlich, dass fast alle Nutzer auf die Plattform treibe und verbinde. Die erste Folge lässt sich mit ihren schnellen Schnitten und Rückblenden überraschend gut und kurzweilig an. Doch Geld verdient Grundy Ufa auch mit einer guten Webserie nicht. Die Kosten deckt der Sponsor. Vorgaben, wie viele Abrufe die Soap haben soll, gebe es nicht. "Candy Girls" kommt auf bisher knapp zwei Millionen aufrufe, "die Piet Show" soll rund 2,5 Millionen Mal angeklickt worden sein. "Wir sind größer als groß" soll weitere Erfahrungen bringen: "Wir können uns nicht nur auf das Fernsehen konzentrieren", sagt Wilhelms. Außerdem "brennt" die Firma darauf, sich auszuprobieren.
Als das Ausprobieren vorbei war, wurde aus "Dubrovnik" wieder das "Kindl Eck", der kneipenfüllende Rauch kam wieder aus den Aschenbechern, nicht aus einer Maschine - und Eier gab es auch wieder. Wie damals.
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