: Neue Warnung vor Diktatur in der UdSSR
■ Leningrads Bürgermeister: Gefahr einer Diktatur „mehr als ernst“/ Militärs: Keine Absichten
Moskau (afp/dpa/taz) — Der Rücktritt von Außenminister Eduard Schewardnadse hat in der Sowjetunion ein politisches Erdbeben ausgelöst. Militärs schlossen die Gefahr einer Diktatur aus. Der Generalstabschef der sowjetischen Streitkräfte, Michail Moissejew, wies am Rande des Kongresses der Volksdeputierten in Moskau die Warnung Schewardnadses „kategorisch“ zurück. Der Leningrader Oberbürgermeister und Reformpolitiker Anatoli Sobtschak sagte dagegen, er halte die Gefahr einer Diktatur „für mehr als ernst“. Wenn nicht Maßnahmen zur Stabilisierung der Wirtschaft getroffen würden, müsse die Armee vielleicht schon „im Januar“ zur Rettung „Hunderter, ja Tausender von Betrieben im ganzen Land“ vor der Schließung eingreifen, meinte Sobtschak in seiner Rede vor den Deputierten. „Wir alle, Demokraten, Radikale und Konservative gehen dann als Bittsteller zu den Militärs und sagen: Herrscht über uns!“
Erstmals seit dem Rücktrittsgesuch trafen sich Gorbatschow und Schewardnadse gestern zu einem Gespräch im Kreml. Am Donnerstag hatte sich der Auswärtige Ausschuß des Obersten Sowjets gegen den Rücktritt Schewardnadses ausgesprochen. Wie berichtet wurde, werde der Ausschuß dem Obersten Sowjet voraussichtlich vorschlagen, das Rücktrittsgesuch nicht anzunehmen. Der Kabinettschef Gorbatschows, Georgi Tschachnasarow, unterstrich, die politische Karriere Schewardnadses sei noch nicht beendet. SEITE 8
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