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Neue Streiks und Proteste in Südkorea

■ Demonstration von 30.000 Arbeitern des Hyundai–Konzerns / Zum Auftakt des Wintersemesters wieder Auseinandersetzungen zwischen Studenten und Polizei / Präsidentschaftswahlen noch in diesem Jahr / Über Freilassung der 760 politischen Gefangenen keine Einigung

Seoul (afp/wps) - Rund 30.000 Arbeiter des größten südkoreanischen Konzerns Hyundai in Ulsan haben am Mittwoch in der Innenstadt demonstriert, nachdem in der Nacht erneut Gespräche zwischen Gewerkschaft und Unternehmern über Lohnerhöhungen gescheitert waren. Wie Augenzeugen berichteten, trugen zahlreiche Arbeiter bei ihrem Marsch Gasmasken und fuhren auf Baufahrzeugen im Demonstrationszug mit. Tausende von Anti–Aufruhr–Polizisten standen dem Demonstrationszug gegenüber. Die Arbeiter der Werften des Konzerns warem am Mittwoch erneut in den Streik getreten, nachdem Hyundai nur eine elfprozentige Lohnerhöhung angeboten hatte. Die Gewerkschaft hatte 25 Prozent verlangt. In einer nahegelegenen Maschinenbaufabrik von Hyundai traten 2.000 Arbeiter in einen Bummelstreik. Auch in anderen Betrieben des Konzerns laufen Lohnkonflikte. Nach Angaben des Arbeitsministeriums stieg die Zahl der Streiks am Mittwoch auf über 760 an. Auf einer Studentenversammlung auf dem Campus der Universität von Seoul hatten Redner am Dienstag die Unterstützung der streikenden Arbeiter gefordert. Bei der Wiedereröffnung der Universitäten nach den Sommerferien kam es in 19 Hochschulen im ganzen Land zu politischen Veranstaltungen und Auseinandersetzungen mit der Polizei. Damit nahmen die Studenten gleich am ersten Tag des Wintersemesters ihre Aktivitäten vom Juni wieder auf. Die Studenten spielten bei der Protestbewegung gegen die Regierung eine Schlüsselrolle. Staatspräsident Chun Doo Hwan akzeptierte im Anschluß daran die grundsätzliche Forderung der Op position, wonach der Staatschef künftig vom Volk gewählt werden soll. Auf der Kundgebung in Seoul forderten die Studenten neben der Solidarität mit den Arbeitern auch die Absetzung der Regierung und die Freilassung aller politischen Gefangenen. Mütter inhaftierter Studenten riefen dazu auf, ihre Söhne zu retten. Als die Studenten in einem Demonstrationszug den Campus verlassen wollten, ging die Polizei unter Einsatz von Tränengas gegen die Demonstranten vor, die sich mit Steinen und Ben zinbomben zur Wehr setzten. In radikalen Studentenkreisen geht man davon aus, daß nur durch eine Verbindung mit den Arbeitern und der Mittelklasse wirkliche politische Veränderungen durchgesezt werden können. Andere Kräfte gehen jedoch davon aus, daß die Regierung sich bereits zu einem harten Vorgehen gegen die Studenten entschlossen hat, in der Hoffnung, daß eine zunehmend radikale Bewegung an den Universitäten das Militär zum Eingreifen provozieren wird. Vor dem Hintergrund anhaltender politischer und sozialer Protestbewegungen einigten sich am Mittwoch der Präsidentschaftskandidat der regierenden „Demokratischen Gerechtigkeitspartei“, Roh Tae Woo, und Oppositionsführer Kim Young Sam darauf, die Wahlen für das höchste Staatsamt noch vor dem 20. Dezember abzuhalten. Über die Freilassung weiterer politischer Gefangener sind die Politiker jedoch weiter uneins. Nach Angaben des oppositonellen Menschenrechtskomitees gibt es gegenwärtig 760 politische Häftlinge.

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