Neue Strategie der EU-Kommission: Europas Kampf um Ressourcen
Die Nachfrage nach Rohstoffen aus Entwicklungsländern wächst. Für Minen in Naturschutzgebieten sollen die Länder nun Geld für Reformprogramme erhalten.
Beim Zugriff auf Rohstoffe in Entwicklungsländern wird mit dem Finger zumeist auf China gezeigt - aber Europa ist nicht weniger gierig. Am heutigen Mittwoch wird die EU-Kommission den anderen EU-Institutionen eine europäische Rohstoffstrategie vorlegen, nachdem der Termin vergangene Woche verschoben wurde - um gleichzeitig eine Strategie zur Eindämmung von Spekulationen mit Rohstoffen zu präsentieren. Europa will sich den Zugang zu Rohstoffen sichern, bei wachsender Rivalität mit China und anderen Schwellenländern.
Der Entwurf zum Strategiepapier, der der taz vorliegt, spricht von zunehmenden Schwierigkeiten bei der Rohstoffsicherung. Die Preise seien wegen der wachsenden Nachfrage aus China, Indien und Brasilien sowie den Aktivitäten von Spekulanten auf den Rohstoffderivatenmärkten stark gestiegen. Jenseits dieser finanziellen Aspekte ist das Hauptthema, wie sich Europa künftig grundsätzlich mit genug Rohstoffen versorgen kann. Die europäische Industrie ist für 14 Mineralien in kritischem Maße importabhängig, heißt es. Bei Antimonium, Beryllium, Germanium, Indium, Kobalt, Magnesium, Niobium, Platin und Tantalum sowie den sogenannten Seltenen Erden beträgt die Importabhängigkeit 100 Prozent.
Bei Seltenen Erden bestehe "ein besonders großes Risiko von Lieferknappheiten in den kommenden Jahren", denn hier finde die Förderung zu 97 Prozent in China statt. Ohne Seltene Erden ist eine ökologische Energiewende unmöglich - sie werden für Windkraftanlagen, Elektroautos, Katalysatoren, Schaltkreise und Glasfaserkabel benötigt. Angesichts dieser Situation empfiehlt die EU-Kommission, strategischen Rohstoffreserven nach US-Vorbild anzulegen sowie alternative Rohstoffe zu erforschen. Bergbau soll in Naturschutzgebieten nicht mehr "automatisch" ausgeschlossen werden. Bessere Ressourceneffizienz und mehr Wiederverwertung sollen gefördert werden.
Dabei gebe es viele Möglichkeiten, sagt Stephan Csoma, Vizepräsident des belgischen Unternehmens Umicore, ein globaler Marktführer beim Recyceln. In der EU werden nur zwei Prozent aller Handys eingesammelt und die darin enthaltenen Rohstoffe wiederverwertet, sagt er. Eine Tonne Handy enthält nach Angaben von EU-Umweltkommissar Janez Potoznick 280 Gramm Gold, 140 Gramm Platin, 140 Pfund Kupfer und wertvolle Mengen Tantal. Neue Regeln für die Wiederverwertung von Eisen, Aluminium, Kupfer, Papier und Glas plant die EU ebenfalls.
Außerdem soll aus Afrika und anderen Gebieten mehr importiert werden. Kredite und Kreditgarantien sollen Investitionen in Verkehrsnetze und Energieversorgung in Entwicklungsländern fördern. Entwicklungsländern sollen Rohstoffexporte nicht mehr durch Ausfuhrsteuern, Quoten oder Exportlizenzen erschweren, um etwa eine eigene rohstoffverarbeitenden Industrie zu fördern. "Wenn ihr Zugang zu unseren Märkten wollt, wollen wir Zugang zu euren Rohstoffen", fasste Stefan Mair vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) diese Politik bei einer Anhörung des EU-Parlaments am vergangenen Mittwoch zusammen.
Als Gegenleistung gibt es Geld für Reformprogramme oder geologische Forschung, damit Regierungen rohstoffreicher Länder weniger ahnungslos gegenüber internationalen Bergbaukonzernen auftreten können. Zudem will man verhindert, dass Einnahmen aus der Bergbauförderung in die Kriegsfinanzierung fließen. Zivilgesellschaftliche Organisationen sind jedoch skeptisch. Die geplante Rohstoffinitiative "wird Afrikas Fähigkeit vermindern, seine natürlichen Reichtümer in einen Wachstumsmotor zu verwandeln", sagt die NGO-Koalition "Fatal Transactions".
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