: Neue Runde im Bagdader Geiselpoker
■ Ex-Premier Heath erhält einige Geiseln als Gastgeschenk/ Angeblich will Saddam alle Franzosen ausreisen lassen/ Iran öffnet Botschaft im Irak wieder/ Bagdad führt Visumpflicht für Araber ein
Bagdad/Paris (afp/dpa/ap) — Der britische Ex-Premier Heath hat am Sonntag während seines Gesprächs mit dem irakischen Präsidenten Saddam Hussein in Bagdad die Ausreise einer noch unbekannten Zahl britischer Geiseln erreicht. Das teilte der konservative Politiker, der sich seit Samstag im Irak aufhält, der Presse mit. Die irakische Nachrichtenagentur 'Ina‘, die über die Unterredung zwischen Heath und Saddam berichtete, lieferte keine Einzelheiten zum Inhalt des Gesprächs.
Bei seiner Ankunft in Bagdad hatte der britische Gast den rein „humanitären“ Charakter seiner Mission betont. Er wolle mit dem irakischen Staatschef nicht über die Golfkrise diskutieren, sagte Heath. Und wie alle seine Vorgänger beim Thema irakische „Gäste“ fügte auch der britische Ex-Premier hinzu, für die Freilassungen seien Bagdad keinerlei Konzessionen oder Versprechungen gemacht worden. Heath zufolge sollen die ersten Briten heute das Land verlassen können und zusammen mit ihm nach Großbritannien fliegen. Wie das britische Außenministerium gestern bekanntgab, wurden aber derweil erneut acht britische Staatsbürger von irakischen Soldaten aus Kuwait nach Bagdad verschleppt. Gegenwärtig befinden sich unter den 5.000 westlichen Ausländern, die vom Irak festgehalten werden, etwa 1.500 Briten, von denen fast 400 „in Gewahrsam“ genommen wurden. Gegenüber 'Ina‘ unterstrich Heath die Notwendigkeit, eine internationale Konferenz über die Konflikte in der Region abzuhalten und sprach sich für eine friedliche Lösung der Golfkrise aus. Er habe nun die Standpunkte der irakischen Führung kennengelernt.
Auch Frankreich ist im Geiselpoker eine Runde weiter. Saddam hat dem Bagdader Parlament gestern vorgeschlagen, über eine eventuelle Freilassung aller im Irak festgehaltenen Franzosen zu „diskutieren“. Das meldete 'Ina‘ am Montag. Nähere Angaben wurden nicht gemacht. Im Irak befinden sich schätzungsweise noch 350 französische Staatsbürger. Bereits am Sonntag sind drei deutsche Geiseln in Frankfurt eingetroffen. Insgesamt hatte Bagdad am Wochenende und gestern acht Deutschen die Ausreise gestattet.
Die wichtigste iranische Oppositionsbewegung, die Volksmudschaheddin Iran, hat am Sonntag abend Berichte zurückgewiesen, nach der ihre Mitglieder aus dem Irak ausgewiesen worden sind. „Keines unserer Mitglieder hat Bagdad verlassen“, sagte der Pressesprecher der Gruppe in Washington. Zuvor hatten nicht genannte Vertreter der US-Regierung mitgeteilt, Bagdad habe offenbar die Volksmudschaheddin ausgewiesen. Damit sei einer Bitte des ehemaligen Kriegsgegners Iran entsprochen worden, zu dem vor dem Hintergrund der Golfkrise in jüngster Zeit erfolgreich neue Kontakte geknüpft worden waren. Mitglieder der Volksmudschaheddin sollen den Informationen zufolge bereits Richtung Paris oder in andere europäische Städte abgereist sein.
Auch auf hoher diplomatischer Ebene geht die Annäherung zwischen beiden Nachbarstaaten weiter. Wie die irakische Nachrichtenagentur 'Ina‘ meldete, wurde am Sonntag die iranische Botschaft in Bagdad wiedereröffnet, nachdem Bagdad und Teheran ihre diplomatischen Beziehungen erst nach sieben Jahren Golfkrieg und knapp ein Jahr vor dem Waffenstillstand 1987 abgebrochen hatten. Die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen war erst am 14. Oktober dieses Jahres offiziell angekündigt worden.
Unterdessen hat der Irak nach Angaben eines Diplomaten in Amman die Visumpflicht für die Bürger anderer arabischer Länder eingeführt. Der an der irakischen Botschaft in Amman tätige Konsul erklärte am Sonntag, dies komme praktisch einem Einreiseverbot gleich. Er begründete die Maßnahme mit der Golfkrise. Der Diplomat teilte ferner mit, die im Irak tätigen jordanischen Gastarbeiter würden ihre Aufenthaltserlaubnis verlieren, wenn sie sich nicht an einem Stichtag, dem vergangenen Dienstag, im Irak aufgehalten hätten. Früher arbeiteten im Irak und im annektierten Kuwait 175.000 jordanische Gastarbeiter. Hinzu kamen deren Angehörige. Nach dem irakischen Einfall in Kuweit haben rund 300.000 Jordanier das Krisengebiet verlassen.
Alle Bürger arabischer Staaten konnten bisher ohne ein Visum in den Irak einreisen. Bürger anderer Länder benötigen dagegen einen Sichtvermerk. Erst kürzlich hatte Ägypten die Visumpflicht für Iraker eingeführt.
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