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Neue Richtlinien für den MusikgenussMusik nur, wenn sie leise ist

Die EU-Kommission lässt höhere Sicherheitsstandards für MP3-Player und Handys erarbeiten – denn sie schädigen das Gehör stärker als bisher angenommen.

Besonders Kinderohren können Schaden nehmen. Bild: woodley wonderworksCC-BY

BERLIN taz | Was sorglos als Hörgenuss beginnt, kann ein bitteres Ende nehmen: Das Gesundheitsrisiko für Personen, die regelmäßig und laut mit tragbaren Abspielgeräten Musik hören, ist größer als bisher angenommen. Zu diesem Ergebnis kam der für Gesundheitsrisiken zuständige wissenschaftliche Ausschuss der Europäischen Union.

Fünf bis zehn Prozent der Nutzer müssen befürchten, dauerhaft schwerhörig oder taub zu werden, wenn sie über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren hinweg jede Woche mehr als eine Stunde pro Tag mit hoher Lautstärke Musik hören. "Insbesondere junge Menschen haben nachweislich keine Vorstellung davon, wie sie ihr Gehör damit schädigen", betonte Verbraucherschutzkommissarin Meglena Kuneva jetzt in Brüssel. "Es kann zwar Jahre dauern, bis ein Gehörschaden auftritt - aber dann ist es einfach zu spät."

In den vergangenen Jahren ist der Absatz von tragbaren Abspielgeräten immens in die Höhe geschnellt: Rund 200 Millionen mobile Musikplayer wurden allein in den letzten vier Jahren verkauft; rund 75 Millionen EU-Bürger können sich einen Alltag ohne ihren musikalischen Dauerbegleiter nicht mehr vorstellen. Deswegen fordert die Kommission nun neue, unbedenkliche Standardeinstellungen bei MP3-Playern und Mobiltelefonen sowie eindeutige Warnhinweise. "Die Verbraucher können die Standardeinstellung zwar lauter machen, erhalten dann aber klare Warnhinweise, damit ihnen die Risiken wenigstens bewusst sind", so Kuneva.

Möglich seien etwa Hinweise auf dem Bildschirm der Geräte oder ein Signalton beim Überschreiten der gesundheitlich zulässigen Maximallautstärke. Die EU wolle aber keine konkreten technischen Lösungen festsetzen. Einen Richtwert schlägt Kuneva dennoch vor: Bei 80 Dezibel sollte die Lärm-Exposition 40 Stunden pro Woche nicht überschreiten, bei 89 Dezibel auf 5 Stunden pro Woche begrenzt werden. Laut Branchenverband Digitaleurope liegen diese Werte derzeit meist bei 100, manchmal bei 115 Dezibel, was dem Lärm beim Start eines Flugzeugs nahekommt (120 Dezibel).

Matthias Rose, Sprecher des Fraunhofer-Instituts im Bereich Audio, begrüßt die geplante Norm. "Es ist unverantwortlich, was teilweise für Geräte verkauft werden. Wenn dann schlechte Kopfhörer hinzukommen, ist das Risiko noch größer", sagte Rose im Gespräch mit der taz.

Erarbeitet werden die neuen Richtlinien ab sofort vom EU-Normungsgremium Cenelec. Bis diese feststehen, können allerdings bis zu zwei Jahre vergehen.

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