Neue Platten : Electrocute mit klimperäugigem elektrogestauchtem Pop
Es war, glaube ich, Courtney Love zu besseren Hole-Zeiten, die sich in einem Interview mal wünschte, doch auch von einem dieser einschlägigen Gitarrenmagazinen schlicht und ergreifend mal nach handwerklichen Sachen gefragt zu werden. Welche Saitenlage sie etwa schätze. Einfach nur so. Wie das bei den tausend anderen, aber männlichen Gitarrengniedlern halt auch passiert. Aber hier geht wohl immer noch der Stacheldraht durch ein streng kodiertes, weiter kontaminiertes Gebiet. Männer spielen die Gitarre im Stehen – Frauen spielen mit den Rollen. Sie geben das Glamour-Girl und machen die Schlampe, und nach Peaches, Angie Reed und wie sie alle heißen hört sich das nun auch bei Electrocute (meine Güte, schon wieder so ein Name) nach klebrigen Drops, verschmierter Wimpertusche und kulleräugigem Klimpern mit den falschen Wimpern an. Klar, Papis Lieblinge, die aus so einer verschlagenen Infantilität heraus operieren, dass alles, egal welche Worte in den Mund genommen werden, etwas Anzügliches, Schlüpfriges hat. Das alte schöne Spiel. Electrocute sind also Mia Dime aus Wien und Nicole Morier aus Albuquerque, zwischenzeitlich beide mit Wahlheimat in Berlin. Electrocute sind fiese Kleinmädchenstimmen und zu Elektropunk gestauchte Abzählreimmelodien. Suicide als klimpernder Sesamstraßenpop. Alles mit der in diesem Geschäft nötigen Stumpfheit zurecht gemacht. Ob mir das nun wirklich uneingeschränkt gefällt, muss ich erst noch mit mir abmachen. Aber beim letzten Stück ihrer Fünf-Song-EP „A Tribute To Your Taste“ (erschienen bei Emperor Norton Records, auch eine Heimat für Miss Kittin), da würde man plötzlich doch gern wissen, welche Saiten für das Solo auf der Gitarre aufgezogen wurden. So eine ganz lässige, ganz einfache und locker groovende Shadows-Evokation ist das, die gleichermaßen ins Neonlicht und in den Sonnenuntergang blinzelt.