Neue Platten (die man aber nicht wirklich braucht) : Was wäre eigentlich, wenn sich alle Berliner auf Platte verewigen wollen? Phony, Evi & das Tier und Ulk haben schon mal damit angefangen
Gleich was zum Aufrichten: „And if our laughter turns to pain/And sunshine turns to rain/I’ll think about the good times“ singen also Phony in – klar – „Good Times“, einem der zwölf Lieder auf ihrer Scheibe „First Love“. Was so doch ein kleines Päckchen an gelebtem Leben signalisiert, wenn man was hat, auf das es sich zurückzuschauen lohnt. Wenn man schon dabei ist, kann man gleich noch an das erinnern, was man nicht alles gern geworden wäre, wenn man erst groß ist. Also Autoscooterpop, der so richtig rummst, und manchmal eine ausgewachsene Elton-John-Platte. So was wäre man mit Freuden geworden, und gern hätte man mitgearbeitet an der Vervollkommnung der Harmony-Gesangsseligkeit und überhaupt eine Hochzeit gefeiert zwischen den ollen Hollies und eher gegenwärtigem Britpop, während man zwischendurch mit Ultravox kurz noch in der Dorfdisco vorbeischaut, und mir als altem Rockhistoriker können Phony auch gar nicht verheimlichen, dass sie sich manche Akkordfolgen bei den Zombies abgeguckt haben. Das rockt dann hier auf „First Love“ alles wie dieses neue Wir-wollen-immer-jung-bleiben-Magazin Neon. Also gar nicht. Man hat sich bemüht. Es klingt bemüht. Wirkliche Fehler lassen sich allerdings nicht nachweisen, richtig glücklich werden hier dennoch nur die versprengten erinnerungssentimentalen Peter-Sarstedt-Fans: „Where do you go to my lovely, when you’re alone in your bed …“
Wobei nicht der Eindruck entstehen soll, dass Phony das gecovert hätten. Klingt nur manchmal danach. Covers galore allerdings finden sich bei Evi & das Tier auf „My Room“ (WortArt). Titel von Tom Waits, Screamin J. Hawkins und Cole Porter, die so eingerichtet wurden, dass alles immer noch sowohl in Richtung Jazz und Elektronik ausbaufähig wäre. Was man halt wohl unter modern versteht. Kenner verweisen natürlich auf die exquisiten Arrangements mit dem elegant abgespreizten kleinen Finger, und ich höre vor allem, dass Evi genau so schnippisch klingen will, wie sie sich auf dem Cover ablichten ließ – und das klingt eher nach Marilyn Monroe, die versucht, wie eine Billie Holiday zu singen. Wenn man aber ohne die die ganze Wimperntusche und mit mehr wirklicher Dezenz und Respekt an die alten Nummern gegangen wäre, die ja nun auch nicht endlos stoßfest sind, hätte sogar etwas daraus werden können. Und nicht nur so ein Kabarett-Act. Das Glamouröse gesucht. Den Klamauk gefunden.
Noch eine Textprobe: „’n schnelles Auto und richtig Geld, verwechselst Aktien mit Gefühlen“. So raunzt Ulrich Kleemann sein Gegenüber beim Titeltrack seiner CD „WolkeNr7.de“ (WS 310303, www.ulrichkleemann.de) an. Als Künstler nennt sich Kleemann Ulk. Mit einem Punkt unter dem l. Wahrscheinlich hat sich da einer einen Traum erfüllt, und der kann ja auch nichts dafür, dass das nicht meiner ist. Aber bei Klaus-Lage-lastigem Fernfahrerliedermacherrock rund ums Freundschaftsbändchen kann ich einfach nicht. Mehr als drei Lieder von der CD hab ich einfach nicht geschafft, sorry. Aber klar der Favorit unter den Platten hier, die man nicht wirklich braucht. TM