■ Neue Maßnahmen gegen Überschwemmungen: Die Niederlande werden angehoben
Amsterdam (AP) – Jahrhundertelang haben die Holländer gegen das Meer gekämpft und immer höhere Deiche gebaut. Schließlich gelang es ihnen sogar, von der Nordsee wieder Land zurückzubekommen. Da es aber Zweifel gibt, ob dies auch in Zukunft erfolgreich sein wird, denkt man in den Niederlanden über neue Wege nach und schreckt dabei auch nicht vor Unkonventionellem zurück – nämlich statt Erde für die Deiche aufzuhäufen, das Land sozusagen anzuheben.
Die Regierung in Den Haag finanziert ein Forschungsprojekt, mit dem herausgefunden werden soll, ob es möglich ist, den Kalkstein, der sich großflächig unter den Niederlanden erstreckt, chemisch so zu verändern, daß er sich ausdehnt und so das darüberliegende Land anhebt. Die Forschungen basieren auf der Erkenntnis, daß sich Kalkstein in der Verbindung mit Schwefelsäure ausdehnt. „Wenn man diesen Effekt auf die Küstenregion beschränken könnte, bräuchten wir keine Deiche mehr bauen“, erklärt Paul Boontjes von der Stifung Technische Forschung in Utrecht, die die Forschungen unterstützt.
Leiter des Projekts sind der Geologe R.D. Schuiling von der Universität Utrecht und Jan Nieuwenhuis, ein Experte für Erdölbohrungen an der Fachhochschule Delft. Beide erklärten, wenn ihre Theorie sich als richtig erweise, könne rund die Hälfte der 1.000 Kilometer langen Küste um mindestens einen Meter angehoben werden. Voraussetzung sei, daß es gelinge, die Schwefelsäure in die rund einen Kilometer tief liegende und mehrere Dutzend Meter dicke Kalksteinschicht zu spritzen. Dann soll daraus Gips werden. In der vierjährigen Studie soll herausgefunden werden, ob dieses Verfahren auch billig genug ist und ob es ohne Schaden für Gebäude angewendet werden kann.
Rund ein Drittel der Niederlande liegen unter dem Meeresspiegel, darunter auch die dichtbesiedelten Gebiete um Amsterdam und Rotterdam. Nun wird befürchtet, daß mit riesigem finanziellem Aufwand hoch höhere Deiche gebaut werden müssen, um das Land auch in Zukunft zu schützen. Denn einige Wissenschaftler warnen, daß Treibhauseffekt und Erwärmung der Erdatmosphäre einen Anstieg des Meeresspiegels zur Folge haben werden.
Das Verfahren der Schwefelsäureinjektion wurde nach Angaben von Boontjes in Italien bei kleineren Versuchen schon erfolgreich zur Stabilisierung von antiken Bauwerken angewandt. Und zudem gebe es dabei noch den angenehmen Nebeneffekt der Giftmüllentsorgung. „Unsere chemische Industrie produziert Tonnen von Schwefelsäure, die mit Schwermetallen verseucht sind“, sagt Boontjes. „Mit unserer Idee könnten wir die Schwermetalle wieder dort hinbringen, wo sie herkamen – tief aus der Erde.“
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