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Neue Führung der Evangelischen KircheSehnsucht nach Ruhe

Nach Käßmann: Am Dienstag ist Nikolaus Schneider zum obersten Protestanten gewählt worden. Auf bewegte Monate folgen unspektakulärere Zeiten.

Nur die Ruhe: Nikolaus Schneider. Bild: dpa

Nikolaus Schneider war voller Dankbarkeit. In seiner Antwort auf die Anmerkungen zu seinem Bericht vor der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) betonte er mehrmals, wie dankbar er die Anregungen der anderen Kirchenparlamentarier aufnehme, ja dass er sie "auch für mich persönlich als sehr bereichernd" empfinde. Der EKD-Ratsvorsitzende zeigte sich in seiner Demut und in seinem Duktus am Sonntagabend in Hannover so, wie es die deutschen Protestanten derzeit am liebsten haben: nur nicht zu spektakulär.

Der 63-jährige Schneider ist am Dienstag als oberster Repräsentant von 25 Millionen evangelischen Christen in der Bundesrepublik gewählt worden. Er erhielt 135 von 143 abgegebenen Stimmen. Der Präses, also der Leiter der evangelischen Kirche im Rheinland, war der einzige Kandidat für dieses Amt. Schneider wird damit, offiziell und vom Kirchenparlament abgesegnet, Nachfolger Margot Käßmanns, die nach einer Autofahrt mit 1,54 Promille Alkohol im Blut als Ratsvorsitzende im Frühjahr zurückgetreten war, nach gerade mal einem halben Jahr an der Spitze der EKD. Bisher galt Schneider als Vize Käßmanns nur als amtierender Ratsvorsitzender.

Die EKD steuert mit Schneiders Wahl nach ziemlich bewegten Jahren samt großer medialer Aufmerksamkeit ganz bewusst erst einmal eher ruhigere Gewässer an. Nach dem teilweise etwas kalten Intellektuellen Wolfgang Huber und dem Medienmagneten Margot Käßmann sind die meisten Kirchendelegierten in Hannover offensichtlich ganz zufrieden damit, einen Mann an die Spitze zu stellen, der dem protestantischen Mainstream im Land entspringt, sich ausdrücklich als Teamspieler versteht und sich seit den Turbulenzen nach Käßmanns Rücktritt vor allem darum mühte, die EKD zu stabilisieren. So war denn auch Schneiders Rede im Plenum ein ziemlich frommer Bericht, der niemandem wehtat, aber auch keinen begeisterte.

Das lag übrigens nicht unbedingt am Inhalt. Denn Schneider sprach durchaus einige Themen an, die auch politisch Sprengkraft bergen. So sagte er deutlich, dass er die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke ablehne - eine Position, die die EKD jedoch schon vor vier Jahren festgeschrieben hatte.

Nun wird erwartet, dass die Synode bis zum Ende ihrer Tagung am Mittwoch eine Erklärung gegen die Laufzeitverlängerung beschließt, die die Bundesregierung jüngst durchgeboxt hatte. Auch beim Thema Präimplantationsdiagnostik (PID) wagte sich Schneider ein wenig aus der Deckung. Er sprach sich dafür aus, die PID in der EKD neu zu diskutieren, obwohl sich der Rat der EKD schon 1992 für ein Verbot dieser Diagnostik ausgesprochen hat. Nun hat die Synode diese Diskussion aber erst einmal vertagt, bis genug aktuelles Fachwissen eingeholt worden ist.

Das eigentliche Hauptthema der Synode aber ist die Bildung in Deutschland. Die EKD-Position wurde dabei schon klar mit dem Kernsatz "Niemand darf verloren gehen!", der auf einem Banner neben dem Rednerpult programmatisch verkündet wurde.

Am Montag diskutierten die Kirchenparlamentarier vor allem über Chancengleichheit im Bildungswesen und die religiöse Erziehung in der Schule. An einer Debatte aktuell noch brennenderer Themen wie etwa den Filzvorwürfen gegen das Diakonische Werk war das Kirchenparlament nicht interessiert. Die Evangelische Kirche sehnt sich erst einmal nach Ruhe.

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1 Kommentar

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  • K
    Kirchenkritiker

    In der taz-Printausgabe ist zu dem Artikel ein Foto mit Antiatomkraftdemonstranten veröffentlicht. Ist das Bild bei der Synode der EKD oder sonst einer Kirchenveranstaltung gemacht worden? Wenn nicht, stellt dieses Foto für mich eine Manipulation dar. Die Kirchen haben sehr viel Zeit verstreichen lassen, um sich zum Thema Atomkraft zu äußern. Jetzt, wo der Atomvertrag unterschrieben und durch den Bundestag gedrückt wurde, wagt sich die EKD aus der Deckung und springt sozusagen auf den fahrenden Anti-AKW-Zug auf. Der Zeitpunkt ist gut gewählt. Jetzt tut es zum einen Frau Merkel, Mitglied der ev. Kirche und häufiger Gast auf Kirchentagen, nicht mehr so weh. Zum anderen muss man an die Zukunft

    denken. Die nächste Regierung wird mit großer Wahrscheinlichkeit die Atomverlängerung rückgängig machen, und dann muss die Kirche belegen können, dass sie sich schon immer dagegen ausgesprochen hat.

    Der Kirche geht es doch in erster Linie um die Bewahrung ihrer Macht und ihrer Privilegien. Wenn es ihr in erster Linie um die Bewahrung der Schöpfung ginge, hätte sie ganz andere Möglichkeiten gehabt, gegen eine Verlängerung der Laufzeiten zu protestieren. Wie schon gesagt, unsere Bundeskanzlerin ist Pfarrerstochter und

    bekennendes Mitglied der ev. Kirche, und letzteres trifft auch noch für viele weitere maßgebliche Politiker in unserem Land zu. Diese einflussreichen Politiker darf man aber in Sachen Atomkraft nicht übermäßig verärgern, denn sie sollen ja für die

    Bewahrung der staatlichen Subventionen an die Kirche sorgen.

    Dass es sich dabei um gigantische Summen handelt, von denen selbst AKW-Betreiber nur träumen dürften, belegt gerade wieder mal Carsten Frerk in seinem neuen "Violettbuch Kirchenfinanzen".