Neue Bürgerpartei in Bremen: Der Club der alten Männer
Ein Verein "Selbstständiges Land Bremen" schickt sich an, bei der nächsten Parlamentswahl das derzeit zersplitterte bürgerliche Lager aufzumischen.
Lange schon geisterten sie als Gerücht durch Bremen. Eine neue Partei sollte es sein, gehandelt als die "Bremer Patrioten". Namen wichtiger Kaufleute und altgedienter Politiker wurden hinter den Kulissen ausgetauscht, Ankündigungen verbreitet. Jetzt ist es offiziell. Vorerst gibt es zwar nur einen gemeinnützigen Verein namens "Selbstständiges Land Bremen". Doch soll aus ihm schon bald eine Wählerinitiative entstehen, die im kommenden Mai bei den Bürgerschaftswahlen gegen die etablierten bürgerlichen Parteien antritt. Dies geschieht zu einer Zeit, in der gerade FDP und CDU in Bremen vor allem durch parteiinterne Personalquerelen auffallen.
Vorsitzender des Vereins ist der parteilose Kaufmann Bernd Artin-Wessels, den sie in der Hansestadt den "Bananen-König" nennen und der vor langen Jahren mal designierter CDU-Wirtschaftssenator war. Auch der ehemalige Werder-Boss Jürgen Born ist dabei, der frühere FDP-Chef Peter Braun, heute Präsident der Traditionsveranstaltung Eiswette, oder Jürgen Adelmann, SPD, zuletzt zehn Jahre Bremerhavens oberster Wirtschaftsförderer. Und Lutz Peper, Ex-Präses der Handelskammer.
Letzterer hat auch schon Erfahrung im Parteiengeschäft. Er saß mal für die AfB im Parlament, eine rechte SPD-Abspaltung namens "Arbeit für Bremen", die 1995 auf Anhieb zehn Prozent der Stimmen und zwölf Parlamentsmandate gewann. Und eine zwölf Jahre währende große Koalition erzwang. Heute sagt Peper: "Ich finde es immer interessant, wenn neue Kräfte das politische Gefüge durcheinander bringen." Selbst antreten will er nicht mehr.
Für eine neue Wählergemeinschaft aus etabliertem Kreis gibt es in Bremen ein erfolgreiches Vorbild: Die "Arbeit für Bremen und Bremerhaven" (AfB).
Die von 1995 bis 2002 bestehende Wählervereinigung war eine "rechte" Abspaltung der SPD, bestehend aus jenen, die mit der damals regierenden Ampelkoalition unzufrieden waren.
Ihr Motor war neben dem Sparkassen-Vorstand Friedrich Rebers auch der frühere Bremer SPD-Wirtschaftssenator Werner Lenz.
1995 erreichte die AfB auf Anhieb 10,7 Prozent der Stimmen und saß mit zwölf Abgeordneten im Parlament. Die SPD war so geschwächt, dass sie mit der CDU koalieren musste.
Er sagt aber auch: Die Initiative ist eine "Reaktion" auf das, was CDU, FDP und SPD in Bremen "nicht anbieten". Auch Wessels spricht so: Der Verein sei eine Antwort auf das, was nicht passiere: "Die CDU ist uneins. Und die SPD tut nichts." Um Bremens Selbstständigkeit zu sichern, müsste man hinzufügen. Denn das ist das Ziel des erklärten Vereins. "Wenn wir nicht offensiv handeln, droht uns der Abmarsch in die Bedeutungslosigkeit, wie es schon viele andere Standorte erlebt haben", sagt Wessels. Dann nennt er Lübeck, Brügge, einst stolze Hansestädte. Unvorstellbar erscheint es ihm, dass Bremen mal nach einer Fahne tanzt, die in Hannover weht.
Also soll der Bund mehr Geld für Bremen zahlen, das finden alle im Verein "Selbstständiges Land Bremen", und Wessels nennt auch Zahlen: 900 Millionen Euro sollten es schon sein, im Jahr, versteht sich. Derzeit gibt es nur ein Drittel dessen - wenn Bremen die Schuldenbremse einhält und bis 2020 ohne Neuverschuldung auskommt. Also soll Bremen klagen, wieder einmal, und zwar vor dem Bundesverfassungsgericht. "Wir können uns nicht aus eigener Kraft entschulden", sagt Wessels. Und mehr Geld für Infrastruktur wollen sie auch ausgeben, für Häfen etwa, Autobahnen oder Bahntrassen. Daneben fallen noch ein paar andere Schlagworte, "Bürokratieabbau" beispielsweise, oder "Steuerentlastungen" (also: der Wirtschaft) und "Leistungsprinzip" (also: in den Schulen).
Also alles genuine FDP-Forderungen: "Es braucht diesen Verein nicht", sagt deren Partei- und Fraktionschef Oliver Möllenstädt (32) - weil er "keine neuen programmatischen Forderungen" erhebe. Natürlich sei das alles "nicht verkehrt", sagt Möllenstädt, ja, der gute Wille sei erkennbar. Aber wer Bremens Selbstständigkeit wolle, müsse doch die bestehenden Parteien stärken. Die sind alle dafür, irgendwie. Die FDP indes wurde zuletzt gerade mal bei 5,0 Prozent der Stimmen gehandelt.
Bei der CDU will man sich erst "in den kommenden Wochen" intensiver mit der neuen Initiative befassen. Um dann doch zu sagen, dass sie "eine Bereicherung" für die bremische Parteienlandschaft sein könne. Aber eine, die sich auf Kosten der CDU an Stimmen bereichert. Wo doch deren erklärter Traum ist, die Stadt einmal "ohne die SPD zu regieren".
Dafür müsste die CDU aber gerade jene Menschen integrieren, die der 44-Jährige Partei- und Fraktionschef Thomas Röwekamp gerade verdrängt. Zuerst Altkader wie Alt-Bürgermeister Hartmut Perschau, jetzt drei langjährige Parlamentarier, darunter der Haushaltsexperte und der Bildungspolitiker der Fraktion. Sie waren bei der Kandidaten-Kür zuerst durchgefallen, könnten jetzt dank des parteiinternen Schiedsgerichts jetzt doch wieder ein Chance haben. Vielleicht. Eine ist mittlerweile in der SPD, auch andere langjährig Aktive sind zuletzt aus der Partei ausgetreten. Und bei Facebook beschimpfen sich Parteifreunde dieser Tage schon mal als "politische Nutte" oder "Nichtsnutze".
Bei der letzten Wahl erreichte die CDU 25,6 Prozent der Stimmen. Jetzt will sie "stärkste Kraft" werden. Meinungsforscher sahen sie zuletzt noch schlechter abschneiden als 2007. Geht man wieder hinter die Kulissen, so finden einige in der CDU den neuen Verein gar nicht gut.
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