■ Kommentar: Neue Bescheidenheit
Den Gürtel enger schnallen müssen wir alle. Die Zeiten sind nun mal so, die Konjunktur mies und die Vaterlandsvereiniger in Bonn an allem schuld. Auch an Elbe und Alster scheinen die Parteien inzwischen einzusehen, daß sie nicht mehr lange ungestraft dem Wahlvolk Sparsamkeit predigen können, ohne mit gutem Beispiel, wenn schon nicht voranzugehen, so doch mitzulaufen.
Die neue Bescheidenheit wird propagiert. Der Wahlkampf soll billiger werden? Keine Einwände. Weniger Plakate, weniger lächelnde Politikervisagen, wahlkampffreie Bahnhöfe? Noch besser. Keine Parteienspots im Fernsehen? Ein sinnvoller Beitrag zur Hebung der Programmqualität. Prominente Persönlichkeiten der Hansestadt sollen stattdessen gegen Rassismus und Rechtsradikalismus mahnen? Kein vernünftiger Mensch kann dagegen sein.
Lob und Hudel also für Hamburgs Parteien? Wenn's so einfach nur wäre. Denn der bekundete Wille zum eisernen Sparen ist doppeldeutig. Laut Wahlkampfkostengesetz gibt's fünf Mark pro Wahlberechtigten. Dieser Topf wird nach der Wahl gemäß den Stimmanteilen ausgeschüttet, unabhängig von der tatsächlichen Wählerzahl pro Partei und unabhängig von deren tatsächlichen Kosten. Je weniger die Parteien ausgeben, desto höher also die Überschüsse, die sie ins Parteivermögen überweisen können.
Eine Reduzierung der Kosten macht Hamburgs Parteien nur wohlhabender. Uns erspart sie aber lediglich deren flachsinnige Reklame .Sven-Michael Veit
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