: Neu in der Schauburg:„Abrahams Gold“
■ Drei Generationen deutschen Abgrunds
Es gibt Filme, die so unheilschwanger daherflimmern, daß man bei der unausweichlichen Tragödie am Schluß fast erleichtert „na endlich“ flüstern möchte. Leider ist Jörg Graser bei seinem Film über die verdrängte Schuld der alten Nazis und die Leiden der Nachgeborenen in diese Falle getappt. Seine Geschichte des bayrischen Gastwirts Hunziger (Robert Dietl), der nach Polen fährt, um in Auschwitz das Zahngold der vergasten Juden auszugraben, das er als KZ-Wärter dort versteckt hat, hätte ein besseres, nicht so pädagogisch thesenhaftes Drehbuch verdient.
Hier wird man bei jeder Szene mit der Nase auf die Intentionen des Regisseurs gestoßen. Die Enkelin des Gastwirts ist so rein, daß sie sich noch bei den Pilzen entschuldigt, die sie ausrupft. Seine Tochter, die in den Sechziger Jahren in die Welt zog und jetzt als Heimatlose ins Dorf zurückkehrt, ist ein Museumshippie und trällert selbst bei einer Autopanne noch den passenden Song von Janis Joplin.
Ein Bierfahrer, der dem alten Mann hilft, das Gold auszugraben, erfährt später, daß er selber ein Nachkomme der vernichteten Juden ist. „Da wird ein Nachgeborener über Nacht von der Täter-auf die Opferseite geschleudert“ sagt Graser selber, aber die Verwandlung wirkt so konstruiert und filmisch uninteressant umgesetzt, daß man alles versteht und nichts fühlt.
Nur in wenigen Szenen sind endweder die Schauspieler oder der Drehort so eindrucksvoll, daß man den Zeigestock des Regisseurs für kurze Zeit vergißt. An einer Imbissbude in Polen erzählt Hunzinger ganz beiläufig von seiner Arbeit im KZ. Auf dem Gelände von Auschwitz malen sich die beiden Grabschänder aus, welche Autos sie sich von dem Geld kaufen. Diese Szenen lassen erahnen, wie gut der Film hätte werden können.
Und dann ist da natürlich noch Hanna Schygulla, die nach über sechs Jahren wieder in einem deutschen Film zu sehen ist und Hunzigers Tochter besser darstellt, als ihre letzten Filme es befürchten ließen. Sie spielt nicht als Star alle anderen an die Wand, obwohl die Rolle wie für sie massgeschneidert ist. Sie ist ja auch ein bayrisches Mädel, das in die Welt gezogen ist, alt wurde und nie ganz aus den rebellischen Jahren herausgewachsen ist. Sie spielt den ewigen Hippie, der auf den ewigen Nazi trifft. Wilfried Hippe
kl. Schauburg, 18, 20 und 22 Uhr
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