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Neu im UT: „Dr.M“ von Claude Chabrol

■ Berlin ist einen Thriller wert

Wer hat Angst vor Dr. Mabuse? Unsere Großeltern haben sich schon vor dem genialen Großschurken gegruselt, der in drei Filmen von Fritz Lang im Deutschland der Weimarer Republik, des Faschismus und des Kalten Krieges mörderische Verschwörungen aufdeckte. Jetzt hat ihn Claude Chabrol in einer Hommage an Lang wieder aufs Kinopublikum losgelassen.

Dabei war er klug genug, um nicht in die auf beiden Seiten lauernden Kultfallen ( Metropolis und Mauer) zu tappen. Nein, Chabrol ist sehr sparsam mit den direkten Anspielungen und hat nicht etwa die expressionistischen Bilder von Langs Filmen nachempfunden. Sein Berlin ist sehr real, und wenn einmal das Metropolis-Design ausgerechnet in einer Disco auftaucht, wirkt das schon wie ein bissiger Kommentar auf Langs Leichenfledderer von Giorgio Moroder bis zum Werbespot für Warncke-Eis.

Chabrol hat stattdessen wie Lang gearbeitet, dessen Mabusefilme ja immer genau auf der Höhe ihrer Zeiten waren: In der nahen Zukunft bringt Dr. M die Berliner zu Hunderten dazu, Selbstmord zu begehen. Dazu braucht er nicht mehr, wie noch in früheren Zeiten, eine perfekte Organisation von Kriminellen; jetzt leitet er einen Medienkonzern, und von den überall sichtbaren Videowänden und Bildschirmen gibt eine wunderschöne Frau in ihren verfüherisch gehauchten Werbeslogans die geheimen Botschaften zum Massenselbstmord weiter.

Der deutsche Drehbuchautor Thomas Bauermeister kennt die Berliner Zustände genau und brauchte sie nur ein wenig zuzuspitzen. Die Allgegenwärtigkeit der elektronischen Medien, die Sekten mit ihren Versprechungen des fortwährenden Glückes und sogar die sprichwörtliche Reisewut der Berliner werden zu einer beänstigend realistischen Mabuseverschwörung zusammengebastelt.

Wenn in anderen Filmen mal ein international bekannter Star zwischen deutschen Schauspielern auftrat, stach er gleich heraus wie ein Löwe unter Miezekätzchen. Hier spielen Alan Baites und Jennifer Beales genauso diszipliniert und kühl stilisiert wie Jan Niklas und Hanns Zischler.

Eine Anspielung konnte Chabrol sich doch nicht verkneifen: Wolfgang Preiss spielte Dr. Mabuse in Langs letztem Film der Reihe. Heute hat er als Polizeichef die Seiten gewechselt. Was würde Lang dazu gesagt haben ? Wilfried Hippen

14.45, 17.15, 20.00 Uhr

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