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■ Neu im Kino: MediterraneoOut of Area

Dies ist ein Film, in dem vor unser aller Augen Steine erweicht werden: geheiligt sei seine Einfalt! Er zeigt uns mit viel Geschmunzel, wie ein paar Soldaten, eh schon mit Neigung zur Schusseligkeit, vollends zu richtigen Menschen verlottern; zur Wirkungsstätte des Wunders hat er sich ein entlegenes ägäisches Inselchen erwählt, wo die Sonne glüht und die Weibsbilder lachen und das Leben sich mit netten kleinen Komödien die Tage vertreibt: Mediterraneo, ein Film des jungen italienischen Regisseurs Gabriele Salvatores, hat in diesem Jahr den Oscar als „bester ausländischer Film“ kassiert; so wird Gutes mit Gutem vergolten.

Und fängt schon gut an: Da schiffen sie, in Mussolinis Auftrag, dahin, die Soldaten, durch die Weite des Meeres, schon leicht belämmert von all dem exterritorialen Geschaukel, da erobern sie befehlsgemäß die Insel Kastellorizio, die sich sowieso nicht wehrt, mit umso heftigerem Gehampel, was nur die mitgebrachte Eselin Sylvana und einen namenlosen Hahn das Leben kostet; da hocken sie tagelang, weil nun einfach kein Krieg sein will, ratlos out of area herum und erwägen schon das Ausheben von Schützengräben und das Führen von Scheinangriffen, um die Stimmung der Truppe zu bessern — bis endlich sich sonderbare Dinge begeben und dem Feldwebel das Brüllen und dem Rest das Gehorchen vergeht: Das hat mit ihrem Klingeln / die Schäferin getan. Leider sind nämlich die Inselmänner gottlob deportiert worden und die Inselfrauen sehr großherzig, und bald ist unvermeidlich alle Disziplin aus den Fugen, aus dem Sinn.

Köstlich, wie die Burschen nach und nach närrisch werden, da ihnen das wahre Glück lacht, und der Kameramann Italo Petriccione ist beim Fußballspielen, beim Pfeifchenschmauchen und Weibchentechteln ihr bester Kumpel: In lauter lichtmalerischen Szenen hat er sie aufs Körperlichste modelliert, ein jeder Blick muß uns ein Wohlgefallen sein und gleitet, ohne daß wir's recht merken, schon in den nächsten über. So perfettamente lässig hat Nino Baragali den Film geschnitten, daß wir uns vom Fluß der Bilder geradezu geschmeichelt fühlen dürfen.

Willkommen im Club Meditarraneo!

In ungetrübten Farben also leuchtet uns das Inseldasein heim zum wahren Leben, aber am Ende wird's einem dorten doch zu bunt. Daß wir an Traumes Statt mit einem Paradies vorlieb nehmen sollen, stimmt einen doch argwöhnisch, zumal es noch billiger zu kriegen ist als drei Tage Menorca mit Frühstück: 'rin ins Boot und hin und weg. Der Club Mediterraneo wartet auf dich.

Manfred Dworschak

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