Netzwerk Google+: Nutzer einfach hinzugefügt
Google vermeldete jüngst stolz, die Nutzerzahlen seines Netzwerks Google+ hätten sich verdoppelt. Das hängt womöglich mit einem Trick zusammen.
Google+ ist eine feine Sache: Das Social Network des Suchmaschinenkonzerns bietet eine bessere Freundesverwaltung als Facebook, versammelt interessante Internet-Persönlichkeiten und ist einfach zu bedienen. Da sollte man annehmen, dass es das größte Web-Unternehmen der Welt nicht nötig hat, den Dienst mit Tricks anzuschieben, um im Bereich sozialer Medien endlich vorne mitzuspielen.
90 Millionen Nutzer habe Google+ jetzt, verkündete Firmenchef Larry Page in der vergangenen Woche. In nur einem Quartal sei damit die Userzahl "mehr als verdoppelt" worden. Ein solches Wachstum wäre erstaunlich, wenn man bedenkt, dass Branchenprimus Facebook mittlerweile an die Grenzen der Neunutzeranwerbung zu stoßen scheint.
Page nannte noch eine weitere Zahl: Über 60 Prozent der Google+-User meldeten sich mit ihrem Konto mindestens einmal alle 24 Stunden an, 80 Prozent mindestens einmal alle sieben Tage. Das soll bedeuten: Google+ hat nicht nur viele Nutzer, Google+ wird auch genutzt. Auch das ist ein Seitenhieb auf Facebook: Dort rühmt man sich seit langem, dass die Hälfte der über 800 Millionen User täglich vorbeisieht.
Doch wie kam es wirklich zum Nutzerwachstum bei Google+, das sich anschickt, in ein paar Quartalen Facebook auf den Fersen zu sein? Das IT-Blog Ars Technica hat sich am Wochenende näher angesehen, wie der Anmeldevorgang abläuft. Demnach hat sich seit einigen Monaten das Verfahren geändert, mit dem man an einen Google-Account gelangt. Diesen braucht man beispielsweise, um andere populäre Dienste wie Google Mail oder Google Docs zu verwenden.
Verknüpft mit Google-Mail
War es bis vor kurzem noch möglich, einfach einen Zugang für eines dieser Angebote zu erstellen, ohne sich Googles Facebook-Konkurrenten zu widmen, ist der Standarddialog beim Anlegen von Accounts nun plötzlich an Google+ geknüpft.
Beispiel Google Mail: Will man nur ein neues Postfach erzeugen, begrüßt einen auch schon die Botschaft, dass das Google-Konto nun "mehr als nur Google Mail" umfasse. "Chatten, teilen, planen, speichern, organisieren, zusammenarbeiten (...) Verwenden Sie Google-Produkte von Google Mail über Google+ bis YouTube - alles mit einem einzigen Nutzernamen und Passwort", wirbt der Konzern.
Danach werden Name, Geburtsdatum, Geschlecht und Handynummer (immerhin freiwillig) abgefragt. Google räumt sich außerdem mit einem vorgewählten Häkchen auch noch die Möglichkeit ein, "personalisierte +1-Empfehlungen in Inhalten und Anzeigen auf Websites Dritter" zu verwenden.
Anschließend geht es auch schon mit dem Erstellen des Google+-Profils los - allein die Entscheidung, kein Bild von sich hochzuladen, hat der Nutzer noch. Das war es auch schon: Der User ist ab sofort Mitglied sowohl bei Google Mail als auch bei Google+ – wobei das eigene Profil mit Namen und Geschlechtsangabe automatisch auch frei im Netz steht.
Seltsame Zählweise
Den Tests von Ars Technica zufolge lässt sich das Google+-Profil nur nachträglich löschen - oder man bricht den Vorgang auf der Profilanlegeseite mit dem Schließen des Fensters ab. Alternativ kann man Googles altes Account-Formular nutzen, das nur noch verwendbar ist, wenn man die Adresse kennt.
Egal was man von Googles neuer Taktik hält: Die neue Anmeldung dürfte Google+ viele weitere Millionen User bringen, auch wenn die es gar nicht unbedingt wollen. Ars Technica zufolge zählt Google offenbar auch die Nutzung des Angebots etwas seltsam: So sollen die erwähnten 60 Prozent, die den Account mindestens einmal am Tag nutzen, für alle Google-Dienste gelten, nicht nur für Google+.
Das Internet-Unternehmen konzentriert sich unterdessen weiter auf einzelne, erfolgreiche Produkte und nimmt weniger populäre Dienste aus dem Programm. Zuletzt musste unter anderem der Bildbearbeitungsdienst Picnik, der E-Mail-Dienst Message Continuity und die sogenannte Social-Graph-API dran glauben, mit der der Konzern einst Facebook technisch einholen wollte. Dafür ist ja nun Google+ verfügbar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance