piwik no script img

■ Nerven die Straßenmusikanten?„Dit is ja wie Betteln“

Claudia Jung, 23 Jahre, Kellnerin

Ich habe ein besonderes Verhältnis zu Straßenmusikanten: Vor zwei Jahren habe ich in Prag einen kennengelernt, der an der Karlsbrücke Gitarre gespielt hat. In den hab' ich mich augenblicklich verliebt. Im Winter habe ich ihn am Alex wiedergetroffen. Er hatte blaugefrorene Finger, darum hab' ich ihn sofort mit nach Hause genommen. Das war wirklich eine ganz aufregende Liebesbeziehung.

Thomas Tiegs, 36 Jahre, Verkäufer

Das ist so 'ne zweischneidige Sache. Gegen das Musizieren habe ich prinzipiell nichts. Wenn ich aber zehnmal in der Stunde angehauen werde, nervt es schon. Auf dem Ku'damm kann man sich nachmittags gar nicht mehr in Ruhe nach draußen setzen. Es sind aber auch viele außerordentlich talentierte russische Musiker in der Stadt, die wunderschöne Caféhausmusik aus den zwanziger Jahren spielen.

Inge Pauckstadt, 36 Jahre, Buchhalterin

Wenn es gute Musik ist, habe ich nichts dagegen. Man kann ja hören, ob das Leute mit Musikempfinden sind, oder ob die nur rumklampfen. Auch das ganze Drumherum muß stimmen, ihr Auftrten muß ordentlich sein. Manchmal kommen in der U-Bahn solche Chaoten rein und machen laut Musik. Dabei will man doch nach acht Stunden Arbeit viel lieber was Beruhigendes hören.

Marcel Ringat, 14 Jahre, Schüler

Die machen doch warscheinlich nur Musik, weil sie kein Geld haben, das ist in Ordnung. Meine Eltern würden nur Musik aus den sechziger und siebziger Jahren zuhören. Ich mag jede Musik, und besonders auf der Straße find' ich's gut. Heute gibt's ja auch viele, die mit 'nem Ghettoblaster rumlaufen und Techno hören. Wenn ich mehr Geld hätte, würde ich denen auch mal was davon abgeben.

Brigitte Schröder, 57 Jahre, Wäscherei-Inhaberin

Das ist mir ziemlich schnuppe. Hauptsache, die machen nicht nach zehn Uhr noch Lärm, denn es ist sowieso laut genug hier an der Oranienburger Straße und in der Umgebung. Wer denen 'ne Mark in den Hut werfen will, soll's nur machen. Die Straßenmusiker sitzen ja nicht nur da und halten die Hand auf, um zu betteln. Schlimm ist's aber, wenn sie ihre Kinder dazu mißbrauchen, ihnen zu helfen.

Martin Cremer, 27 Jahre, Baugehilfe

Straßenmusik?!? So 'nen Scheiß- Geseier, ick kann diese Hottentotten-Musik nich' ab. Die sollen mal arbeiten jehen. Asoziales Pack, leben von meinem Lohn, wa, und machen mir an, weil ick nich' abdrücke. Fragen die mich in der U-Bahn, ob ick ihr Gedudel hören will? Natürlich nich, dit is ja wie Betteln. Wenn ick die seh', könnt' ick abkotzen. Arbeiten, ick sag nur arbeiten soll'n se jehn.

Umfrage: Ole Schulz

Fotos: David Reed

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen