: Nepper, Schlepper, Physiker
SCHEINLÖSUNG Institut an der Uni Oldenburg lockt Studierende mit „Stipendien“. In Wirklichkeit handelt es sich allerdings um verkappte Hilfskraftstellen
VON ANNEDORE BEELTE
„Die Studiengebühren zahlt der Prof!“ Mit diesem Slogan wirbt das Institut für Physik an der Uni Oldenburg um Studienanfänger. Allerdings hat sich das Institut mit dieser Werbung etwas weit aus dem Fenster gelehnt: Die Profs zahlen keinen Cent und für das Geld müssen die Studierenden einen Hilfsjob am Institut übernehmen.
Das Programm finanziert drei „besonders begabten“ oder wenigstens „motivierten“ Studienanfängern für vier Semester die Studienbeiträge. Die Finanzierung wird aus Drittmitteln bestritten, von Stiftungen, privaten Geldgebern oder der öffentlichen Hand. Von einem „Stipendium“, wie es die Uni deklariert, kann keine Rede sein. „Man kann es schlecht Stipendium nennen, wenn man dafür arbeiten muss“, kommentiert Asta-Sprecher Günter Wilde. „Deswegen ist das eigentlich eine Frechheit.“
Die 500 Euro müssen durch 10,5 Stunden im Monat als studentische Hilfskraft erarbeitet werden. Bei dem in Niedersachsen geltenden Lohn für studentische Mitarbeiter von 7,98 Euro pro Stunde deckt das fast genau den Semesterbeitrag ab. Übrig bleiben 2,74 Euro für ein Feierabendbier. Das Geld dafür kommt aus den gleichen Töpfen wie die Löhne der übrigen studentischen Hilfskräfte.
Institutsleiter Christoph Lienau will sich auf die Formulierung des Slogans nicht festnageln lassen. Schließlich gehe es um die Sache: Er möchte verhindern, dass potenzielle Studienanfänger durch die Semesterbeiträge abgeschreckt werden. Diese Bedrohung ist für die Uni Oldenburg sehr konkret, ist das gebührenfreie Bremen mit einer vergleichbaren physikalischen Fakultät doch nur fünfzig Kilometer entfernt.
Asta-Sprecher Wilde hält die Chance für gering, dass das Finanzierungsmodell tatsächlich diejenigen erreicht, die sich sonst das Studium nicht leisten könnten. Schließlich müssten nicht nur die Studiengebühren, sondern die gesamten Lebenshaltungskosten aufgebracht und gegebenenfalls durch weitere, lukrativere Jobs finanziert werden. Und Bedürftigkeit ist nicht das Auswahlkriterium für das Programm.
Professor Lienau und seinen Kollegen geht es nicht nur um Sozialverträglichkeit, sondern genauso darum, wissenschaftlichen Nachwuchs möglichst schnell an die Forschung heranzuführen und in Arbeitsgruppen einzubinden. Er versichert, dass die ausgewählten Teilnehmer nicht für stumpfe Hilfstätigkeiten verheizt werden. „Sie nehmen an Arbeitsgruppen-Besprechungen teil und können selbst kleine Forschungsprojekte durchführen“, sagt er. „Die genaue Form der Mitarbeit wird von der Persönlichkeit und den Vorkenntnissen der Studierenden abhängen.“ Eine Jobbeschreibung, auf die man sich berufen kann, gibt es also nicht.
Christian Hoffmann von der Fachschaft Physik haben die Lehrenden mit der Idee auf ihrer Seite. Der Studierendenvertreter hofft, dass sie mehr Kommilitonen anlockt und die mobilen Nachwuchswissenschaftler längerfristig an Oldenburg bindet. Die Ausschöpfungsquote, also das Verhältnis von Studienanfängern zur Aufnahmekapazität, liegt im Fach derzeit bei überschaubaren 42 Prozent.
„Wir sind bestrebt, das Programm nach einem Jahr durch Fachdidaktiker evaluieren zu lassen“, kündigt Lienau an. Dann soll sich zeigen, ob das Ziel erreicht ist: „Wir wollen einen Anreiz zum Studium schaffen und die Teilnehmer zu positiven Multiplikatoren machen.“