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Neonazis sammeln Daten ihrer Gegner

FAP-Angehörige sammeln Namen, Adressen, Fotos und Phantomzeichnungen/ Drahtzieher ist wieder einmal der FAP-Funktionär Karl Polacek/ Offenbar ist die FAP jetzt auch in Ost-Berlin aktiv  ■ Von Max Eckart

Göttingen (taz) — Die neonazistische Freiheitliche Deutsche Arbeiter-Partei (FAP) sammelt in großem Umfang über die „Feinde des Deutschen Volkes“. Dies haben der niedersächsische FAP-Landesvorsitzende Karl Polacek und andere Rechtsextremisten gegenüber Journalisten bestätigt.

Der mehrfach vorbestrafte Polacek, der auch als „Schriftführer“ seiner Organisation fungiert, betreibt in dem Dorf Mackenrode bei Göttingen ein Schulungszentrum für rechtsextremistische Jugendliche. Gegenwärtig muß sich der 56jährige vor einem Gericht verantworten, weil er im Juli dieses Jahres eine Frau mit einer Axt angegriffen und verletzt hatte.

Erste Hinweise auf die Existenz einer FAP-Datei lieferte die Gewerkschaftszeitung 'Metall‘ im Februar dieses Jahres. Das Blatt zitierte damals aus dem Schreiben eines gewissen M. Schmitt von der FAP-„Interessenbetreuung“ Essen an einen Gewerkschafter, der ohne Angabe seiner Funktion Werbeprospekte der neofaschistischen Partei angefordert hatte: „Durch Ihre Zuschrift ... sind wir ... damit beauftragt worden, Informationsmaterial an Sie zu senden. Wie wir zu unserem Bedauern feststellen mußten, sind Sie in unserer Datei als ,aktiver‘ Antifaschist aufgeführt. Daher erübrigt sich wohl eine Belieferung mit Materialien unserer Partei.“

In einem Brief an die 'Metall‘-Redaktion äußerte sich Polacek am 5. September über die Datensammlungen der FAP. Dabei handele es sich keineswegs nur um eine Kartei von „Nazi-Gegnern“. Gesammelt würden vielmehr Daten „über den weiten Kreis der Feinde des Deutschen Volkes, über die Drahtzieher und deren gewalttätige Lakaien.“

Wie ein FAP-Anhänger Anfang dieser Woche präzisierte, sind in der Datei neben Antifaschisten und Ausländern, PolitikerInnen wie die Göttinger SPD-Landtagsabgeordnete Hartwig oder der Grüne Bundesratminister Trittin aufgeführt. Auch Journalisten, Rechtsanwälte, Richter und Polizisten sollen in den FAP- Computern abgespeichert sein.

Die Namen und Adressen der „Volksfeinde“ genügen den Rechtsradikalen dabei nicht. Sie sammeln alle Informationen, derer sie habhaft werden können, laut Polacek sogar „Fingerabdrücke und Lichtbilder.“ „Wenn diese nicht vorhanden sind,“ so der FAP-Führer, „werden Phantomzeichnungen angefertigt.“

Daß Polaceks Äußerungen keine Prahlerei sind, haben FAP-Leute und ihre Kumpane nachdrücklich unter Beweis gestellt. In Göttingen sind in den vergangenen Monaten von Neonazis zahlreiche gezielte Angriffe und Anschläge auf Personen aus der linken und alternativen Szene sowie auf AusländerInnen und Schwule verübt worden. Der taz liegt ein Rundbrief der „FAP Ost-Berlin“ vor, in dem „alle Kameraden von NA, FAP, NDP, REPs (!), NF“ sowie „Skins und Hools“ vor einem Polizeispitzel gewarnt werden. Dem Steckbrief des Betroffenen — „24 Jahre alt, circa 186 Zentimeter groß, helle Augen, mittelblonde Haare“ — ist eine Portraitzeichnung beigefügt.

Was geschieht, wenn die FAP einen Spitzel in die Finger kriegt, erklärte Karl Polacek am Montag gegenüber einem Göttinger Journalisten: „Der kriegt welche über die Rübe und landet dann irgendwo in der Gülle.“

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