Neonazis bedrohen Pizzeria-Besitzer: Kein Platz für „Bollywood“ in Geithain

Ein Imbissbesitzer im sächsischen Geithain wurde schon mehrmals von Neonazis bedroht – am Wochenende flog ein Sprengkörper in den Laden. Die Polizei ermittelt seit Monaten erfolglos.

Verdächtigte am Anfang noch Konkurrenten: Besitzer Abid Sayal vor seiner Pizzeria. Bild: dapd

GEITHAIN dapd | Zuerst glaubte Mohammad Abid Sayal an einen bösartigen Gruß seiner Konkurrenten: Kaum hatte der 30-Jährige am 1. Januar seine Pizzeria „Bollywood“ in der Innenstadt von Geithain eröffnet, flog der erste Stein in eine Scheibe.

„Ich dachte, die anderen Restaurants wollen mich hier nicht haben und machen deshalb Ärger“, sagt Sayal. Fünf Anschläge später ist er sich aber sicher, dass er in das Visier von Neonazis geraten ist. „Es sind immer die gleichen Rechten aus dem Ort“, sagt Sayal.

Seit über fünf Monaten wird der Pakistaner in der Kleinstadt Geithain knapp 50 Kilometer südlich von Leipzig von Unbekannten terrorisiert. Zuerst flogen nur Steine in das kleine Restaurant, im Mai eskalierte die Situation, als zehn zum Teil vermummte Männer Sayal und seine Angestellten mit dem Tod bedrohten. „Es war abends um zehn, als einer von ihnen reinkam. Er kaufte zwei Döner und ein Bier und fragte uns, warum wir in Deutschland leben und so“, erzählt Sayal.

Dabei sei alles noch friedlich geblieben – bis er den Imbiss schließen wollte und sich der mutmaßliche Täter als Rechter outete. „Erst beschimpfte er uns als Ausländer und drohte, er bringt uns um“, sagt Sayal.

Sonderkommission „Rex“

Zwei Stunden später stand der Mann tatsächlich mit zehn Kumpanen vor dem Laden und begann zu randalieren. „Drei schlugen mit Flaschen und einem Messer auf die Scheiben ein“, sagt Sayal. Die anderen, mit Sturmhauben vermummt, bauten sich auf der Straße auf und schauten zu. „Zuerst habe ich das alles nicht ernst genommen. Jetzt habe ich Angst um mein Leben“, sagt Sayal.

Die Polizei ermittelt seit dem ersten Anschlag im Januar. Bislang konnten aber noch kein Täter präsentiert oder die Hintergründe aufgedeckt werden. Nach dem letzten Anschlag am vergangenen Wochenende, als wiederum Unbekannte einen Sprengkörper in die Pizzeria warfen, wurden die auf rechtsextreme Straftaten spezialisierte Sonderkommission „Rex“ eingeschaltet.

Sayals Laden ist seitdem geschlossen. Auf Twitter triumphierte die Neonazikameradschaft „Freies Netz Geithain“: „Märchen mit gutem Ende? Pakistanischer 'Bollywood'-Betreiber packt seine Koffer“. Doch die Soko „Rex“ will sich nicht zu dem Motiv festlegen. „Wir nehmen die Sache sehr ernst, ermitteln jedoch in alle denkbaren Richtungen“, sagt LKA-Sprecher Tom Bernhardt. Ein rechtsextremistischer Hintergrund könne „zum gegenwärtigen Zeitpunkt weder bestätigt noch ausgeschlossen werden“.

„Blanker Zynismus“

Für einige sächsische Politiker ist der Fall indes klar. Für den Betreiber, dessen Lokal bereits mehrfach von Neonazis attackiert worden sei, müsse es „wie blanker Zynismus klingen“, dass das LKA einen rechtsradikalen Hintergrund bislang nicht bestätigen könne, sagt etwa die Linke-Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz.

Auch der SPD-Landtagsabgeordnete Henning Homann ist sich sicher, dass Sayal das Opfer einer aktuellen Gewaltkampagne der Rechten in der Region sei. „Im Internet haben sie den Mai zum 'Monat der Rache' ausgerufen und mehrere Aktionen angekündigt“, sagt Homann und beruft sich auf mehrere Einträge in Blogs.

Als realen Beleg führt Homann zudem eine Reihe von Straftaten an, die in den vergangenen Wochen in der Region südlich von Leipzig gab und die auf das Konto der rechten Szene gehen sollen. „Das fängt bei Flaschenwürfen gegen ein Jugendzentrum in Limbach-Oberfrohna an und hört bei einem tätlichen Übergriff auf einen linken Jugendlichen auf“, sagt Hohmann.

Romy Bauer, Bürgermeisterin von Geithain, will sich indes an den Mutmaßungen über die Anschlagsserie in ihrer Stadt nicht beteiligen. Gleichwohl räumt die CDU-Politikerin ein, dass es in Geithain ein rechtes Problem gibt. „Unabhängig davon, was hinter den Anschlägen auf die Pizzeria steckt, haben wir grundsätzlich ein Problem mit rechtsextremen Einstellungen vor allem bei Jugendlichen“, sagt Bauer.

Dies sei umso stärker zu spüren, seitdem die rechtsextreme Kameradschaft „Freien Kräfte“ bei der Kommunalwahl 2009 in Geithain ein Mandat errungen hat. „Damit können sie unter dem Anschein einer demokratischen Legitimation agieren. Und den Leuten wird die Sicht auf die wahren Motive vernebelt“, sagt Bauer.

Kameradschaftsnazi auf der Liste der NPD

Der 23-jährige Manuel Tripp ist mit 400 Stimmen in den Stadtrat von Geithain eingezogen, auf einer Liste der NPD. Seine ideologische Heimat sind die „Freien Kräfte“. Das „Freie Netz Geithain“ schreckt trotz des politischen Mandats von Tripp nicht vor rabiaten Drohungen gegenüber politischen Gegner zurück. So verbreitete die Gruppierung etwa nach der Schließung eines von Rechten unterwanderten Jugendklubs über Twitter ein Plakat, das Bürgermeisterin Bauer mit einem Einschussloch im Kopf zeigt. Das Auto der Lokalpolitikerin wurde von Unbekannten demoliert.

Die Stadt mit knapp 6.000 Einwohnern wehrt sich redlich, doch allein mit Mahnwachen, Stadtfesten und einem Bürgerbündnis für Demokratie und Toleranz komme man dem Neonazi Tripp nicht bei, räumt Bauer ein: „Er ist wie ein Rattenfänger und nimmt unsere Jugendlichen für sich ein. Da ist es für uns schwer, etwas entgegen zu setzen.“ Einen Ausweg sieht sie deshalb in einem Verbot der NPD. „Diese vermeintlich demokratische Basis muss ihnen entzogen werden“, sagt Bauer.

Comments

[pssst]

Interessante Kommentare von Leuten, welche nichtmal vor Ort wohnen/waren...

In eurer unendlichen Weißheit dürftet ihr ja wissen, dass es seit Jahren mehrere andere solcher Läden da gibt. KEINEM ist bisher etwas passiert!

Hat eure geliebte Presse auch rausgefunden, dass Anwohner Mafia-Ähnliche Machenschaften beobachtet haben?

Hat sie auch rausgefunden, dass Herr Sayal anfangs die Konkurrenten aus der Stadt unter Verdacht hatte?

Nein?

Lieber mal selbständig denken, als blind den Medien zu folgen.

[nette ivette]

Na da dachte der lokale Polizeiapparat wohl ganz im Sinne der Goldenen Zitronen:

Das bisschen Miniprogromstimmung bringt uns nicht gleich um

hier fliegen nicht gleich die Rosinen aus den Stollen take it easy altes

Haus wir haben schon schlimmeres gesehn so einfach wird die sächsische Heimat auch nicht untergehn.

das sind deutsche Zustände nach 45...

Kraft und Durchhaltevermögen für Herrn Sayal, der jetzt wenigstens auch weiß, dass wenn es drauf ankommt, er sich nicht auf die Polizei verlassen darf, da diese sich doch immer zum gleichen örtlichen Volksgemeinschaft zählt wie die faschistischen Täter.

[noevil]

Wenn das so weiter geht, dann hilft nur noch: da muss die Presse ran an die Probleme. Die recherchiert wenigstens gründlich. Polizei dann nur noch als Personenschutz für ermittelnde Journalisten??

Die Polizei sollte endlich ihrem Auftrag gerecht werden und ihre Hausaufgaben machen. Dazu gehört in erster Linie Schutz ALLER bedrohten Personen. Kein Wegducken mehr bei Bedrohung von rechts, denn damit schützen sie nur die potentiellen rechten Gewalttäter.

Nicht zuletzt sollte sie überprüfen, ob ihre Sicht von "rechts" und "Mitte" nicht eine immerhin mögliche Rechtslastigkeit aufweist.

[ordnungshueter]

gab´s da nicht ´mal ein land , das die nationalgarde das gesetz hat durchsetzen lassen?

[maoam]

Es muss furchtbar kompliziert sein, in einem 6000-Einwohner Kaff, wo sowieso niemand hinwill, ein paar Dorfdeppen auszumachen.

Ihr Rechten, wofür "kämpft" ihr eigentlich?

Ihr wisst dass ihr euer Ziel niemals erreichen werdet, und ihr wisst, dass es keine weiße Rasse gibt, und genauso wisst ihr, das Menschen mit weißer Hautfarbe nicht besser oder schlechter als andere Menschen mit anderer Hautfarbe sind. Und trotzdem terrorisiert ihr Menschen.

Ihr seid ein Haufen von Gewaltfetischisten, die einfach Spaß an Gewalt haben, und sich irgendwelche Ideologien herbeifantasieren.

Wie soll denn das laufen? Nazis aller Länder vereinigt euch?!? Welche "Rasse" ist dann die Chef-Rasse? Was ist mit den polnischen Nazis? Verstehen die sich mit deutschen Nazis?

Und was macht man mit den kleinen, dunkelhaarigen Deutschen? Sind die weniger wert als blonde große Deutsche?

Und was ist dann mit dem tollen Deutschland, wenn alle Nazis vereinigt sind....welches Land ist dann das "beste"?

Und warum seid ihr immer so schlecht im Umgang mit eurer eigenen Sprache?

Übrigens geht das auch an die PI-Schreiberlinge und andere Rechtsradikale, die sich hier immer ansammeln.

In Bayern gibt es ja miteinander verfeindete Nazi-Grüppchen. Was soll das??? Wie geht das???

Amüsiert von eurer "Weltanschauung".

[Anonymouse]

Blabla, NPD verbieten, weil die Rattenfänger Erfolg bei den Jugendlichen haben und Mahnwachen und Gelichterketten nicht helfen...

Damit ist das Symptom verschwunden, die Krätze unterm Puder eitert aber weiterhin fröhlich vor sich hin.

Bis sie irgendwann mal aufbricht. Ein Puder namens Verbot hat noch keinen Ausschlag geheilt.

Den Rechten entzieht man die Basis nicht durch ein Verbot (Gesinnungen und Einstellungen kann man nicht verbieten, ansonsten gäbs die DDR noch, dort war ja offiziell auch jede andere Gesinnung als die vom ZK der SED vorgegebene verboten und somit unwahr).

Radikalen (egal ob rinks oder lechts) entzieht man die Basis durch Lösung der Probleme, Widersprüche und Konflikte, deren konsequente Leugnung und Nichtlösung (ob ungewollt oder unfähig sei dahingestellt) immer mehr betroffene Menschen in die politische Radikalität treibt.

[rolff]

Wie erfahren die sächsische Polizei mit der Verfolgung vgon Delikten mit rechtsradikalem Hintergrund ist konnte die Republik allenthalben schon bewundern.

Wann gibt es endlich disziplinarische Maßnahmen gegen Polizeiorgane, die auf dem rechten Auge blind sind?

Hier sollten die Verantwortlichen persönlich haften müssen.

[Weiße Rose]

Vorkommnisse dieser Art müssen unbedingt von internationalen, spezialisierten Verbänden überwacht werden. Deutschen Behörden ist bei der Verfolgung von Nazi-Schwerstverbrechern nicht über den Weg zu trauen.

[SteakDoc]

Liest sich fast so als würden die ermittelden Beamtem selbst Teil der Nazigruppierung sein.... wäre wohl auch nicht weiter Verwunderlich...

[Detlev]

Diese Neonazis behaupten doch immer, es gebe keine Jobs für Deutsche etc. aber wer will denn in solchen Orten auch nur einen Euro investieren, wenn da nicht mal eine Pizzeria von Ausländern betrieben werden kann?

Anscheinend grassiert bei den örtlichen Sicherheitskräften immer noch die gleiche Stumpfheit wie vor dem rechten Terror-Trio.

[Herschel]

Wie wir alle wissen kommen die Arier aus Indien .

Dieser Pakistanische Pizzaverkäufer besitzt demzufolge mehr Arierblut in seinen Adern als ganz Geithein zusammen .

Diese Kammeradschaften sollten lieber mal etwas für ihr Land tun und keinen Alkohol mehr saufen und kein Öl vom Scheich kaufen !

[Stefan]

„Er ist wie ein Rattenfänger und nimmt unsere Jugendlichen für sich ein. Da ist es für uns schwer, etwas entgegen zu setzen.“ Einen Ausweg sieht sie deshalb in einem Verbot der NPD."

Einen Ausweg gibt es auch, in dem man nichtrechten Jugendlichen aus Geithain und der Region um Geithain einen Jugendclub zur Verfügung stellt (zu dem explizit rechte Menschen keinen Zutritt haben) und mit antifaschistischen Initiaven zusammenarbeitet, bzw. sich an Initiativen wie die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus wendet.

Desweiteren ist es gerade für den Betreiber der Pizzeria wichtig, dass sich nicht nur die (örtliche) Politik hinter ihn stellt, sondern dies auch couragierte Bürger tun. Spenden und Nachtwachen oder auch mal ein nettes Wort wären da zum Beispiel sinnvoll.

[traurig]

da kann man sich doch nur schämen für sein Land....

[Thorge Ott]

Auch die rechten Vollidioten futtern heimlich Döner, wie lächerlich...

[emil]

augen zu und durch, mauer hoch und gut. die endgültige teilung deutschlands, das ist unser auftrag...