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Neonaziaufmarsch IIMarsch durch die Siedlung

In Kirchweyhe bei Bremen demonstrieren die Neonazis im Abseits

Schlechte Laune: Neonazi Christian Worch im Kreis seiner Getreuen. Bild: dpa
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WEYHE taz | Mit 80 Neonazis, einer Reichsflagge und schlechter Laune ist der Neonazi Christian Worch am Samstag durchs niedersächsische Weyhe gezogen. Worch, der Vorsitzende der Partei „Die Rechte“, demonstrierte laut Motto „gegen Versammlungsverbote“. Am vorherigen Wochenende hatte die Gemeinde Weyhe zwei rechtsextreme Mahnwachen verboten.

Diese Aufmerksamkeit zieht der Ort in der Nähe von Bremen auf sich, seit in der Nacht zum 10. März dort der 25-jährige Daniel S. nach einem Diskobesuch zu Tode geprügelt wurde. S. wollte einen Streit schlichten, der Hauptverdächtige Cihan A. hat einen türkischen Migrationshintergrund. Ein erneutes Verbot der Gemeinde scheiterte.

In einem Kreis standen Worchs schwarz-gekleideten Kameraden auf dem leeren Parkplatz des Rathauses. Die greise Stimme der Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck konnten die Kameraden kaum hören. Durch eine verschlafene Einfamilienhaus-Siedlungen zogen sie, vorbei an Weiden und Äckern, zurück über die Landesstraße. „Die armen Polizisten“, sagte eine der paar AnwohnerInnen, die am Gartenzaun stehen blieben, um zu schauen. Die Parolen schreckten sie ab: „Ruhm und Ehre der deutschen Nation“, „Kriminelle Ausländer raus! Und der Rest? Auch!“ Zum Abschluss schwadronierte der Neonazi-Anführer Dieter Riefling prompt vom „Rassenkrieg“.

Am Tatort, auf dem Bahnhofsvorplatz, hörte man die Neonazis nicht. Der liegt auf der anderen Seite der Schienen. Dort, wo die Kerzen in Erinnerung an Daniel S. brennen, waren wie am vergangenen Wochenende 800 BürgerInnen dem Aufruf ihres Bürgermeisters Frank Lemmermann (SPD) gefolgt, um dem Opfer zu gedenken und ein Zeichen gegen rechts zu setzen. Daniel sei nicht gestorben, weil er Deutscher war, sagte Pastor Albert Gerling-Jacobi, „sondern wegen unvorstellbarer Brutalität“. Sein Tod werde missbraucht.  

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9 Kommentare

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  • P
    Pastorenueberwacher

    @Vogelweide

    Wollen Sie mir etwas mitteilen? Wenn ja, was?

  • RP
    Rechte Panikmache

    Auch hier auf taz.de gehört es zur politischen Strategie rechter Panikverbreiter, permanent einen drohenden Bürgerkrieg zwischen Deutschen und Ausländern, Deutschen und Muslimen, Deutschen und Roma, Deutschen und … an die Wand zu malen.

     

    Um Ängste zu schüren.

    Um das gesellschaftliche Klima zu vergiften.

    Um daraus politischen Profit zu schlagen.

     

    Dabei schreckt man auch nicht davor zurück, schreckliche Gewaltverbrechen für rassistische Hetze zu instrumentalisieren.

     

    Beispiel Kirchweyhe:

     

    http://www.radiobremen.de/politik/themen/kirchweyhefacebook100.html

     

    http://netz-gegen-nazis.de/artikel/die-instrumentalisierung-einer-tragoedie-zum-mordfall-von-kirchweyhe-8592

  • J
    Jürgen

    "Diese Aufmerksamkeit zieht der Ort in der Nähe von Bremen auf sich, seit in der Nacht zum 10. März dort der 25-jährige Daniel S. nach einem Diskobesuch zu Tode geprügelt wurde."

     

    So zurückhaltend müsst ihr hier nicht formulieren, liebe taz.

    Eine Prügelei, so wie das dieser Satz hier nahelegt, war das Ganze nämlich nicht.

    Daniel S. wurde ohne Vorwarnung vom mutmaßlichen Täter in den Rücken getreten- und zwar mit einer solchen Gewalt, dass dieser Tritt laut Obduktionsbericht Wirbelsäule und Rückenmark zerstörte und todesursächlich war.

    Dass dem wehrlos am Boden Liegenden dann auch noch der Kopf zertreten wurde, bleibt hier noch anzufügen.

    Wenn die Staatsanwaltschaft erklärt, dass sie weitere Angaben dazu mit Rücksicht auf die Angehörigen nicht macht, kann man sich ungefähr vorstellen, in welchem Zustand dieser Mann auf dem Obduktionstisch lag.

    Kein Grund allerdings für den SPD-Ortsverein Stuhr, seinen Internetblog zu überarbeiten.

    Da steht zu dieser Tat weiterhin folgende Überschrift:

    "Mord an einem 25-jährigen - Mahnwache und Demonstration gegen Rechts in Weyhe"

    und ist

    folgender Halbsatz zu lesen:

    "Zwei Menschen haben indivíduell gehandelt..."

    Na ja, Hauptsache der Kampf gegen Rechts war an den letzten zwei Wochenenden erfolgreich.

  • M
    Markus

    Etwas befremdlich finde ich es schon: Da wird ein Deutscher von einem Fremden getötet, und der Bürgermeister fordert ein "Zeichen gegen Rechts". Wie passt das denn zusammen?

     

    Stellen wir uns mal den umgekehrten Fall vor: Eine Gruppe Deutscher ermordet einen Türken - und der Bürgermeister organisiert eine Demo gegen Deutschenfeindlichkeit. Klingt absurd? Ist es auch, aber es zeigt dass hier ein Problem unterschiedlicher Wahrnehmungen existiert.

  • VD
    von der Vogelweide

    Die "Pastorenüberwacher" kennen sich doch mit "Brutalitaet" doch bestens aus und "unvorstellbar" ist sie für diese Gruppe von Überwachern wohl kaum...

  • P
    Pastorenueberwacher

    Gestorben (!) ist Daniel weder weil er Deutscher war, noch wegen "unvorstellbarer Brutalitaet", sondern weil sein Koerper die Lebensfunktionen eingestellt hat. Das trifft auf bisher jeden Todesfall in der Menschheitsgeschichte zu, daher gibt es ja auch nichts besonderes dazu zu diskutieren. Ist es das, was uns der Pastor eigentlich mitteilen wollte?

    Getoetet wurde Daniel deshalb, weil er Deutscher war, vermittels unvorstellbarer Brutalitaet.

  • A
    Auf-m-Arsch

    Neonazi-Aufmarch III + IV + V + VI und viele viele andere wuerden bestimmt staendig ueberall stattfinden, und die taz koennte dann ueber alle berichten, wenn es noch viel mehr Nazis gaebe, als es sowieso schon gibt.

  • SS
    Simone Semmel

    Mich würde interessieren, was Herr Pastor Albert Gerling-Jacobi glaubt, gegen was sich dieses bandenweise Auftreten mit seiner Brutalität richtet.

  • W
    Wirklich?

    > Daniel sei nicht gestorben, weil er Deutscher war,

    > sagte Pastor Albert Gerling-Jacobi, „sondern wegen

    > unvorstellbarer Brutalität“.

     

    Wieviele fälle hat der Herr Pastor denn so mitbekommen in den Medien wo in Deutschland eine Gruppe Türkischstämmiger einen anderen Türkisch- oder Arabischstämmigen totgetreten haben? Das müsste ja öfter vorkommen, wenn dem Mann noch nicht auffällt, dass auch Angehörige einer Minderheit mit gewaltigem Rassismuspotential aufwarten können.

     

    Schade, dass die taz solche Fragen nie stellt.