Nebentätigkeiten von Professoren: Ein unerforschtes Feld
Nebentätigkeiten von Professoren werden in Deutschland kaum überwacht. Die Wissenschaft setzt auf Selbstkontrolle - doch die kommt selten vor.
BERLIN taz | Er schrieb für die Atomlobby, das Geld floss an die Frau. Fälle wie der des Berliner Professors Joachim Schwalbach bringen die Wissenschaft in Verruf. Wie einfach können Professoren in die eigene Tasche wirtschaften? Und wer kontrolliert die Nebengeschäfte? Die Antwort darauf ist nicht einfach.
Rund 40.000 ProfessorInnen arbeiten an Deutschlands Universitäten. Für die allermeisten von ihnen gilt: Neben ihren akademischen Pflichten dürfen sie auch Zusatzgeschäfte tätigen. Wann ein Wissenschaftler diese Nebentätigkeiten anzeigen oder genehmigen lassen muss, das regeln die einzelnen Bundesländer verschieden.
Im Allgemeinen müssen Akademiker anzeigen, wenn Sie mit den Interessen der Universität in Konflikt geraten könnten oder ein Teil ihrer Arbeitszeiten für Fremdaufträge beansprucht wird. Wie viel sie dabei verdienen, ist egal.
Formal werden die Nebentätigkeiten durch die Universitäten kontrolliert. Ob und wie sie dies tun, ist für die Öffentlichkeit kaum nachzuvollziehen. Daten darüber gibt es keine.
"Es ist eine der unmittelbaren Folgen der Wissenschaftsfreiheit, dass Professoren sehr frei entscheiden können, wie sie forschen und wofür und für wen sie ihre Expertise einsetzen", sagt Frank Stäudner, Sprecher beim wirtschaftsnahen Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft. "Die Kontrolle stößt faktisch sehr schnell an ihre Grenzen, wo jemand von außen bewerten soll, ob es sich um wissenschaftliche Gutachten oder Gefälligkeitsgutachten handelt."
Und so setzt die akademische Welt auf Selbstkontrolle: "Für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler steht ihr Ruf auf dem Spiel, wenn sie die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis nicht einhalten", sagt die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, Margret Wintermantel. "Dieses Prinzip und unser Recht schützen nicht vor dem Fehlverhalten Einzelner, sehr wohl aber vor einer Fehlentwicklung der Wissenschaft insgesamt."
Nur 52 Meldungen an Ombudsstelle
Stefan Hornbostel ist Leiter des Instituts für Forschungsinformation und Qualitätssicherung (iFQ) an der Humboldt-Universität Berlin, das sich mit der Qualität wissenschaftlicher Forschung in Deutschland beschäftigt. "Es ist relativ selten, dass man Leuten nachweisen kann, dass ihre Publikation etwa wegen grober inhaltlicher Auslassungen ein Gefälligkeitsgutachten ist. Die Grauzone ist da ziemlich groß."
Besonders in Bereichen, wo es um viel Geld gehe, seien Gefälligkeitsstudien häufiger anzutreffen. Dazu zählten etwa die Lebenswissenschaften, wo es um Patente gehe, oder Gutachten für die Wirtschaft, "wo Juristen und Wirtschaftswissenschaftler als ,neutrale', sozial anerkannte Personen in Lobbystrategien mitwirken."
Hornbostel fordert eine stärkere Verpflichtung auf wissenschaftliche Transparenz: "So wie es große Zeitschriften praktizieren, die von ihren Autoren verlangen, potenzielle Interessenkonflikte offenzulegen."
Der Bund demokratischer WissenschaftlerInnen (BdWi) ist dennoch skeptisch: "Dass in privaten Auftragsgutachten die Interessen des Auftraggebers antizipiert und auf diese hin formuliert und interpretiert werden, ist nach meiner Einschätzung eher die Regel als die Ausnahme", sagt BdWi-Geschäftsführer Torsten Bultmann. Er sieht die Ursache für den Hang zum Zusatzeinkommen in der "zunehmenden Angewiesenheit auf private Mittelgeber, weil die öffentliche Finanzierung der Wissenschaft rückläufig ist".
Einen Beitrag zur Selbstkontrolle soll die "Ombudsstelle für die Wissenschaft" leisten. Doch 2010 wurden dort gerade mal 52 Fälle gemeldet. Nur sechsmal ging es um den Vorwurf der Datenmanipulation, sechsmal gab es Hinweise auf "Unredlichkeiten in Begutachtungsverfahren". Der Rest bleibt im Dunkeln.
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