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■ Nebensachen aus RomDie Fama des Raithschen Tierasyls

Das erste Tierchen war eines von der Sorte, die man nicht abweisen kann: ein Kätzchen, etwa acht Wochen alt, weiblichen Geschlechts und mit einer so unregelmäßigen Zeichnung, daß man davon ausgehen konnte: der Schönheit wegen würde niemand dieses arme ausgesetzte Wesen zu sich nehmen.

Also nickten wir Eltern seufzend, und unsere drei Töchter, damals noch zwischen vier und acht Jahren, spielten die üblichen drei, vier Tage ständig mit dem Kätzchen und verloren dann das Interesse, so daß Mutter und Vater adoptiv einsprangen.

Acht Monate danach erfreute uns Pinky mit vier Jungen, von denen eines starb und die anderen gerecht auf die drei Töchter verteilt wurden; der Kater wurde später kastriert, eines der beiden Weibchen sterilisiert; das andere vertrug die Betäubungsspritze nicht und wäre beinahe gestorben, weshalb es heil blieb – und danach zweimal Junge bekam.

Alles normal bis hierher, würde man sagen, wäre es in Deutschland passiert. Doch in unserem Ambiente in der italienischen Provinz, bäuerlich strukturiert und daher mit anderer Einstellung zur Zuchtwahl und zum Fortjagen von Tieren, sprachen sich dies Episoden herum – und schon hatten wir das Etikett verrückter Tierfreunde am Hals. Wer junge Kätzchen besaß oder junge Hunde, die er loswerden wollte, rief zuerst mal bei uns an – oder kam, weil man telefonisch ja leichter nein sagt, persönlich mit den armen Würmern vorbei.

Natürlich erarbeiteten wir ein ganzes Arsenal von Ausreden, um keine weiteren Viecher mehr aufnehmen zu müssen; doch gleichen Schritts lernten auch unsere Freunde und Nachbarn, wie man uns überlisten konnte. So bekam unsere Tochter einen Hund – als Geburtstagsgeschenk, kann man natürlich nicht ablehnen. Der Briefträger brachte eine Schildkröte vorbei – er hatte sie angeblich auf der Straße gefunden. Nachbarin Anna suchte die Überfüllung ihres Kaninchenstalls durch ständige Geschenke der weißen Wollknäuel an unsere entzückten Töchter zu steuern. Einige Hühner boten sich an, als wir in ein anderes Haus zogen – sie wohnten schon dort.

Vergeblich all die Selbstsuggestions-Übungen, wenigstens einmal laut nein zu sagen, ehe wir ganz zum Tierasyl wurden. Gerade als wir soweit zu sein glaubten, entdeckte eine unserer Kundinnen vom Reitstall im Stadtzentrum eine Hündin, die neun Junge säugte und dabei erbärmlich abmagerte. Sie machte sich anheischig, das arme Mütterchen zu retten – und an wen dachte sie da zuerst? Natürlich. Meine Frau sagte: „Eines könnten wir ja noch nehmen.“ Natürlich kamen die Töchter dann mit drei jungen Hunden nach Hause.

Inzwischen scheint sich die Fama vom Raithschen Asyl nicht nur bei Menschen herumgesprochen zu haben – auch die Tierwelt gibt die Kunde offenbar untereinander weiter.

Vorigen Sommer bog plötzlich ein dunkles Knäuel in die Einfahrt ein, setzte sich mitten auf den Weg und blickte einen an: „Eccomi, da bin ich.“ Mittlerweile ist daraus ein reinrassiger belgischer Wolfshund geworden. Vor zwei Monaten winselte er ungewohnt heftig in einer Ecke hinter dem Eingangstor: Da saßen zwei kleine schwarze Kätzchen – und die Mutter kam gerade mit einem dritten an.

Dann verschwand sie und ward nicht mehr gesehen – bis vorgestern. Da war sie wieder da, offenbar zur Inspektion für den nächsten Wurf, denn ihr Bauch war bereits wieder ansehnlich dick. Jetzt stronzt sie herum und erkundet vermutlich den besten Platz fürs Werfen – und es sieht so aus, als hätte sie, obwohl ich sie täglich dreimal hinauswerfe, gerade mein Bett ausgesucht.

Gibt es eine Psychotherapie gegen die Schwäche Tieren gegenüber? Zuschriften an: TAZ- Büro Italien, Borgo Hermada (LT) Werner Raith

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