■ Nebensachen aus Rom: Glücksspiel Terminkalender
Seit mehr als zehn Jahren, beschwert sich ein Italienfahrer aus Freiburg im italienischen Rundfunk RAI, sei er gewohnt, „das ganze Arcanum an Kulturveranstaltungen durchzusehen“ und seine Reise in den Süden „genau danach auszurichten“. Doch nie, nicht ein einziges Mal, sei es ihm gelungen, „auch nur die Hälfte dessen zu realisieren“, was er sich vorgenommen habe. Das liege aber weder an der Vielfalt der Veranstaltungen noch am Verkehrschaos – „sondern fast immer daran, daß einfach nicht stimmt, was einem da an Vorankündigungen in die Hand gedrückt wird“. So schlimm allerdings wie dieses Jahr sei es noch nie gewesen – „acht der vierzehn Kulturereignisse konnte ich schlicht abschreiben“.
Drei von acht Ausstellungen, die er besuchen wollte – über Etruskerkunst und über Handwerksgeräte aus dem 16. Jahrhundert, Gemälde von Caravaggio und solche von Tizian – waren entweder mit falschen Terminen übermittelt worden oder, im Gegensatz zur Auskunft des örtlichen Fremdenverkehrsbüros, zu dieser Zeit oder an diesem Tag nicht geöffnet: „Ein Desaster, wenn man seine Reise genau eingeteilt hat.“ Weil er sturschädelig aber doch in die Ausstellungen wollte, mußte er dreimal umbuchen, allein das hat über 200 Mark mehr gekostet.
Dabei hatte er sowieso schon einige Veranstaltungen abgeschrieben, die er traditionell jedes Jahr besucht hat – etwa die Opernaufführungen in den römischen Caracalla-Thermen. Ein Hickhack zwischen Denkmalschützern und Anhängern des „römischen Sommers“, das sich seit drei Jahren hinzieht, hat dieses Jahr tatsächlich zum endgültigen Verbot von Festivals in den ehrwürdigen Ruinen der antiken Badeanlage geführt: Die Aufsichtsbehörden sahen sich außerstande, die vom grünen Bürgermeister Rutelli geforderte Unversehrtheit der Ruinen zu garantieren. Opernfreunden, die dennoch auf ihrem Sommerspektakel beharrten, wurde zunächst ein Ersatz an der Via Appia versprochen, doch auch dazu kam es nicht. Nun findet das Ganze an der Piazza di Siena in der Villa Borghese statt, dort, wo sonst alljährlich die großen Reitveranstaltungen abgehalten werden. Patzer freilich auch hier: „Das Teatro dell'Opera hatte mir, sehr freundlich am Telefon, Karten zurückgelegt – nur, als ich am Sonnabend ankam, stellte sich heraus, daß die Billets für Sonntag waren, weil es am Sonnabend keine Aufführung gibt.“ Immerhin: Die „Tosca“ hat ihn dann entschädigt. Der kunstbeflissene Nordmensch steht mit seiner Empörung nicht allein da. Landauf, landab beschweren sich Gäste über Falschinformationen und ausgefallene Veranstaltungen. Seit Jahren versprechen die einander abwechselnden Kulturminister etwa Besserung in den Museen – seit vorigem Jahr sollen sie alle auch nachmittags offen sein. „Das stimmt schon“, mokiert sich L'Espresso – „für einige; dafür aber sind andere jetzt ganztägig geschlossen.“ Zumindest sind viele Trakte nicht zugänglich. Früher gab es dafür die Begründung „Baufälligkeit“. Heute ist es „Personalmangel“. Wo die gut 7.000 angeblich vor drei Jahren eingestellten zusätzlichen Wärter hingekommen sind, hat noch niemand herausgebracht.
Die Fremdenverkehrsbüros jedenfalls erklären sich für ganz und gar unschuldig: „Wir blicken doch selbst längst nicht mehr durch“, jammert die Koordinatorin einer „Azienda promozionale“ der Provinz Latina: „Wir haben hier gut fünfzig Veranstaltungen angekündigt – doch bis Mitte Juli wußten wir noch nicht einmal, ob die Mittel für die meisten davon überhaupt freigegeben werden.“ Als es dann soweit war, hatten die oft aus reinen Amateuren bestehenden Veranstaltungskomitees längst die Lust verloren, ihre Mitglieder waren in Urlaub gefahren. Nur wo private Initiative und vor allem privates Sponsor-Geld vorantreibt, scheinen die Dinge besser zu liegen: „Das findet in der Regel alles statt“, so die Koordinatorin.
Doch auch hier trügt manchmal der Schein. Von dreißig im Veranstaltungskalender der Provinz Latina angekündigten privat initiierten Spektakeln erwiesen sich immerhin sechs als unrichtig: falsches Datum, falscher Ort. Werner Raith
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