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■ Nebensachen aus NairobiPasta in Klein-Mogadischu

Neulich mußte ich wieder an das denken, was ich in einem Buch über Somalis gelesen hatte: Daß man nur verstehen könne, was sie und warum sie es tun, wenn man sich vor Augen hält, daß sie von jeher Nomaden waren. In einem winzigen Schuhladen, ein paar Minuten vom Hilton-Hotel entfernt – also mitten in Nairobis Innenstadt, sah ich drei Somalis am Boden sitzen und einen Berg Spaghetti von einem als Unterlage ausgebreiteten Plastiksack essen.

War es die anthrazitgraue Farbe der Unterlage oder die Tatsache, daß dort zwei Kilogramm Nudeln und sonst nichts lagen, oder war es nur die Ahnung der offensichtlichen Freude, mit der hier ein tägliches Ritual begangen wurde, was mich so befremdete?

Ein Bekannter, dem ich die Szene schilderte, sagte mir: „Das ist doch noch gar nichts. Da mußt du mal nach Eastleigh fahren!“ Das Viertel Eastleigh ist das Klein-Mogadischu Nairobis, in dem die kenianischen Somalis und die Flüchtlinge aus Somalia ihre kleine Welt eingerichtet haben. Wenn man bedenkt, daß weit mehr als die Hälfte der Menschen in Nairobi in Bretterbuden ohne Strom, Wasser oder Kanalisation leben, ist Eastleigh mit seinen durchgängig gemauerten Häusern kein schlechtes Viertel. Die Miete hier verschlingt drei Viertel eines durchschnittlichen kenianischen Monatslohnes (70 Mark), und der Markt ist wohl der beste Nairobis. Hier gibt es alles, was man auch auf einem Markt in Somalia erwarten würde: Den Elektronikkram und die kitschigen Uhren mit ihren etwas zu wuchtigen Plastikaufbauten, die in Massen aus Dubai importiert werden, die sexy Damenschuhe (frau darf ja sonst nichts zeigen!) und natürlich die orientalischen Spezialitäten.

Die entspannende sanfte Droge Khat nimmt im Leben der somalischen Männer eine zentrale Rolle ein. Neulich erst gab es deshalb einen großen Streit, wenn auch auf „afrikanisch“: In London wurde ein kenianischer Geschäftmann ermordet, der offensichtlich in den Handel mit Khat verwickelt war. Überall, wo die Somalis im Exil leben, müssen auch die grünen Khat- Zweige hintransportiert werden. Angehörige der Volksgruppe der Merus in London, in deren Gebiet der Khat in Kenia angebaut wird, beschuldigten einen konkurrierenden somalischen Khat-Händlerring des Mordes. Woraufhin die kenianisch-somalischen politischen Vertreter die Somalis aufriefen, keinen Khat mehr aus Meru zu kaufen. Wie ist das möglich? Die somalischen Männer sind nicht gerade bekannt dafür, daß sie es leicht nehmen, wenn sie keinen Khat haben. Nun ja, auch der Boykott war afrikanisch: Während des Ramadans ist Khat ohnehin verboten. Ramadan ist nun vorbei, und Khat wird wieder gekaut wie zuvor.

Außerdem gibt es in Eastleigh wohl die häßlichste Moschee, die ich je gesehen habe (ein mit Welblech überdachter Innenhof mit einem aus Beton gegossenen Minarett) sowie eine Busgesellschaft namens „Shuqran Express“ (Shuqran = arabisch: danke), die direkt zum Flüchtlingslager Kakuma, fast an der sudanesischen Grenze, fährt. „Express“ ist allerdings nicht ohne ein Körnchen Salz zu verstehen, denn die Fahrt dauert mindestens zwei Tage.

Und natürlich gibt es somalische Restaurants in Eastleigh, in denen man das somalische Nationalgericht – seit der italienischen Kolonisierung –, Pasta, bestellen kann. Für den kleinen Geldbeutel gibt es die gern gewählte Kombination Spaghetti und Reis. Der Boden des Restaurants ist sicherheitshalber mit Sägespäne bedeckt. Und der Bekannte hatte recht: Wie sich die Spaghetti in die mit Henna eingefärbten Bärte der alten Männer einfädeln, ist einfach sehenswert. Peter Böhm

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