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■ Nebensachen aus JohannesburgJackos Heimkehr nach Afrika

Da waren: der AC aus Milano, Helmut Vogts und Berti Kohl, außerdem Papst Vater, Queen Mutter sowie Hillary C. aus Weißwasser. Gesehen wurden: Schalck-Golodkowski, Julio Iglesias und Ludwig Farrakhan. Zurückgekehrt sind: die UNO und Coca-Cola. Als auch noch McDonald's eine Futterkrippe für Big Macs aufschlug und Bayern seinen Big Edi (genannt Stoiber), den Experten für „durchraßte“ Gesellschaften, ins neue Südafrika entsandte, da dachten wir, es seien alle hier gewesen.

Allein, wir haben zwei geopolitische Lichtgestalten vergessen: den Kinkel und den Jackson, wobei der erstere schon zum zweiten Mal hier ist. Sein Pech: Bei der Besuchspremiere im Mai 1994, als König Mandela gekrönt wurde, fiel der FDP-Fürst nicht unangenehm auf. Und jetzt, wo der große Schwabe zeitgleich mit dem kleinen Zinnsoldaten aufläuft, guckt wieder kein Schwein. Klaus Kinkel hat es noch immer nicht zum Überirdischen gebracht.

Als aber Michael Jackson die Gangway herunterkinkelte, da stieg im wintertrockenen Johannesburg sofort die Luftfeuchtigkeit an. Denn die Maiden des Landes begannen ganz fürchterlich zu heulen, und der Zinnsoldat weinte mit. „Ich bin glücklich, wieder daheim zu sein!“ rief er, während aus dem Flieger sein Badewasser von Evian sowie ein paar Fäßchen Hautaufheller ausgeladen wurden.

Mutter Afrika hat den Buben wieder! Er hatte so viel über den heldenhaften Kampf seiner Brüder und Schwestern am Kap gelesen, vor allem in der bekannten Anti-Apartheid-Zeitschrift National Geographic. Jetzt betrat er die Erde der Vorväter mit den Worten: „I love you!“ Ein Parasol ward aufgespannt, damit das molkeweiße Gesichtchen nicht unter der Sonne leide und negroide Schwärze annehme. Dann fuhr er hinaus nach Soweto, zum Gottesacker von Avalon, und legte einen Kranz für die Opfer des Aufstandes anno 1976 nieder. Etliche Sowetonians, soeben noch mit Beerdigungen beschäftigt, waren so ergriffen, daß sie vergaßen zu trauern. Sie strömten herbei und lauschten dem Lobgesang des ortsansässigen Poeten Mzwakhe Mbuli: „Jackos Visite“ sei wie die „Zweite Niederkunft“ des Messias.

Sodann ging der Erlöser zum Geschäftlichen über. Ein schmuckes Häusl will er kaufen, vielleicht noch eine kleine Jagdfarm mit Tierpark, lustige Äffchen und Boa constrictors inklusive. Die History-Tour, geplant im Januar 1997, muß er vorbereiten. Nelson Mandela, dem Erlöser-Kollegen, möchte er ein Ständchen zum 78. Geburtstag singen. So geschah es. Und die verstörten Völker der Xhosa, Zulu und Buren fragten sich: Wer ist der größte Megapopstar unter dem Firmament, Madiba oder Michael?

Da sprach Bob Jones, der PR- Manager des Sängerknaben: „Mandela ist nur in eurem Land bekannt. Aber Michael ist in der ganzen Welt berühmt.“ Damit der Ruhm des Herrn demnächst ins Universum hinauswachse, nahmen seine Apostel noch Footage fürs nächste Videoclip mit: Michael in den Tränennebeln von Avalon, Michael im Afro-Disneyland zu Sun City, Michael im heiligen Widerschein von Nelsons Geburtstagskerzen. Und durch Soweto schallt es lange noch: „Michael und Madiba leben hoch!“ Und der arme Kinkel ward wieder nur auf den hinteren Zeitungsseiten abgebildet... Bartl Grill

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