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■ Nebensachen aus BukarestDer Größenwahn des rumänischen Patriarchen

Ceaușescu liebte seine rumänisch-orthodoxe Kirche. Und sie liebte ihren Führer. Der Diktator ließ die Popen und Patriarchen an diversen Staatszeremonien teilnehmen und subventionierte sie freigiebig. Dafür huldigten, spitzelten und denunzierten sie nach Leibeskräften und weihten dem Ceaușescu-Ehepaar obendrein eine Kirche – mit sozialistischen Familienporträts statt mit Heiligenbildchen.

Als den größenwahnsinnigen Diktator im Dezember 1989 das Ende ereilte, geriet der Patriarch der rumänisch-orthodoxen Kirche, Teoctist, in Panik. Am 21. Dezember, einen Tag vor SEINEM Sturz, schickte er dem „Weisesten Leuchtturm sämtlicher Karpatenhirten sowie der Weltgeschichte“ ein Beistands- und Loyalitätstelegramm. Leider nützte das nichts. ER wurde erschossen, und der Patriarch ging „aus Gesundheitsgründen“ erst mal in Pension. Als Rentner hielt es Teoctist nur knappe drei Monate aus, dann zog ihn der Stuhl des Patriarchen unwiderstehlich zurück. Seitdem beweihräuchert und segnet er nicht nur alle post-, neo- und antikommunistischen Präsidenten, Regierungen, Armeedivisionen und Gefängnisse. Der Patriarch läßt sich auch vom Größenwahn des geliebten Diktators erleuchten. Ceaușescu hatte die halbe Bukarester Innenstadt abreißen und sich einen pharaonischen Palast namens „Haus des Volkes“ bauen lassen, zu dem der öffentliche Zutritt verboten war. Das größte Gebäude Europas, mit Ausblick auf einen viereinhalb Kilometer langen Boulevard. Da ist der ehemalige Rentner eindeutig bescheidener. Für ihn muß es nur die nach dem Sankt-Peters-Dom zweitgrößte Kathedrale Europas sein.

Nur zehn-, vielleicht elftausend Sitzplätze. Keine Grundfläche von einem viertel Quadratkilometer. Nur drei, vier Fußballfelder. Es muß auch nicht halb Bukarest, sondern nur ein Park platt gemacht werden. Und auch das Volk wird die Megakathedrale betreten dürfen. Das Geld kommt zur Hälfte „von uns, vom Volk“ und zur Hälfte vom Staat, „also auch von uns, vom Volk“, wie der Patriarch meint. Zwar muß die Regierung bei Bildungs-, Gesundheits- und anderen Sozialausgaben hart sparen und bringt damit die Menschen im Land zur Verzweiflung. Aber ein paar Milliarden ist sie der orthodoxen Kirche schuldig. Denn die Popen haben nach der demokratischen Wende vom letzten Herbst alle bösen Geister aus dem Regierungsgebäude ausgeräuchert, welche die vorherige Regierung hinterlassen hatte. Der Ministerpräsident kann's nicht leugnen, er war dabei! Aufwendige, fachgerechte Zeremonien haben halt ihren Preis.

Ja, die Rumänen brauchen die Megakathedrale mit dem Namen „Erlösung der rumänischen Volkschaft“. Denn ihnen droht Gefahr und Fegefeuer. Zum Beispiel durch den Islam oder die Zeugen Jehovas. Oder durch die Rockmusik, die „Formation AC/DC“, was nichts anderes heißt als „Antichrist/Death to Christ“, wie uns die rumänisch- orthodoxe Kirche wissen läßt.

Oder, noch schlimmer: durch die Homosexuellen. Es hat nichts genützt, daß die orthodoxe Kirche gegen die voraussichtliche Abschaffung der Homosexualität als Straftat demonstrierte. Wer keinen öffentlichen Skandal provoziert, darf jetzt ungehindert und straflos A....f..... Ja, genau! Was hier nur dezent angedeutet wird, sagte ein Bukarester Klostervorsteher frei heraus, nachdem die Presse ihn beschuldigte, daß es die Popen in seinem Haus untereinander treiben würden. Vor laufenden Kameras bekam der Mann einen Wutanfall: „Was? Wir lutschen am P....? Beweise! Die orthodoxe Kirche ist doch keine Institution zum A....f.....!“ Keno Verseck

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